„Ick freu mir wie Bolle“: Paul McCartney rockt Berlin
Berlin (dpa) - Paul McCartney live zu sehen, ist wie lebendiger Musikgeschichte zu begegnen. Allein diese Vorstellung, dass da gerade nicht irgendjemand „Let It Be“, „Yesterday“ oder „Lady Madonna“ singt, sondern der Mann, der sie geschrieben hat.
Einer der Beatles, jemand aus einer anderen Ära, man hat sofort so viele Bilder vor Augen. Die 60er Jahre, Pilzkopf-Frisuren, kreischende Fans. Das ist lange her, doch beim bisher letzten Deutschland-Konzert seiner im April gestarteten „One On One“-Tour in Berlin bewies McCartney am Dienstag, dass er noch extrem gut in Schuss ist.
McCartney ist 73, aber auf der Bühne sieht man es ihm keinen Moment an. Er spielt fast drei Stunden, er tanzt und hüpft, er rennt die Stufen zum Klavier hoch, er sucht den Augenkontakt zum Publikum, immer mal wieder flimmert ein jugendliches spitzbübisches Lächeln über sein Gesicht. Man weiß sofort, warum McCartney einfach nicht aufhören kann, mit Konzerten um die Welt zu reisen. Er lebt auf der Bühne, die Liebe der Fans ist sein Lebenselixier - und er weiß im Gegenzug, wie er sie glücklich macht.
Die Songs aus der Beatles-Ära lösen immer noch die größte Begeisterung aus. „A Hard Day's Night“ als Auftakt bringt die rund 22 000 in der Berliner Waldbühne sofort in Bewegung. Kurz darauf folgt mit „Can't Buy Me Love“ ein weiterer Klassiker. McCartney, der mit den Beatles einst ganz am Anfang auf St. Pauli in Hamburg spielte, adressiert die Zuschauer in ganz passablem Deutsch: „Es freut mich, wieder hier zu sein.“ Und dann, weil es Berlin ist: „Ick freu mir wie Bolle.“
Es folgten unter anderem „I've Got a Feeling“, „Here, There and Everythere“ und „We Can Work It Out“ und spätestens nach „Love Me Do“ hatte McCartney das Publikum ganz in der Hand. Ein Chor aus tausenden Stimmen sang bei „Lady Madonna“, „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ und natürlich „Hey Jude“ mit. George Harrisons „Something“ stimmte McCartney mit einer Ukulele an und ließ den Song gewohnt hymnisch ausklingen. Nach „Back in The U.S.S.R.“ erinnerte er sich, wie nach dem Konzert auf dem Roten Platz in Moskau 2003 der damalige russische Verteidigungsminister bekannt habe, „Love Me Do“ sei die erste Platte gewesen, die er gekauft habe. Als letzte Zugabe gab es das volle Medley vom Ende des „Abbey Road“-Albums mit „The End“ zum Ausklang.
Die Ehre, am Ende kurz zu McCartney auf die Bühne zu kommen, wurde diesmal einem Vater und Sohn aus Japan zuteil, die extra für das Konzert nach Berlin flogen. Er unterschrieb für den Jungen einen Entschuldigungsbrief, weil dieser für die Reise fünf Tage Schulunterricht schwänzte. „Ausnahmsweise. Machen Sie das nicht mit ihren Kindern“, warnte ein gut aufgelegter McCartney das Publikum und signierte auch gleich die Sgt.-Pepper-Uniformen der Japaner.
Auch politische Statements scheute er nicht. In Gedenken an die Opfer des Anschlags in Orlando kam McCartney vor den Zugaben mit der Regenbogen-Fahne der Lesben- und Schwulenbewegung auf die Bühne. „Wir stehen gemeinsam mit Orlando“, rief er auf Deutsch unter dem Applaus des Publikums. Und mitten in Brexit-Debatte und Fußball-Europameisterschaft schwang er kurz eine Deutschlandfahne, während einer seiner Musiker daneben den britischen „Union Jack“ hochhielt.