Indie-Gitarristin Torres stellt sich vor

Berlin (dpa) - Die Geigen hat Mackenzie Scott (24), die sich den Namen Torres gegeben hat, über Bord gekippt. Eine prominente Rolle nahmen sie schon auf ihren selbstbetitelten Debüt (2013) nicht ein, jetzt aber sind sie ganz verschwunden.

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Haben eh nicht zu ihr gepasst.

„Sprinter“ (Partisan Records/PIAS) heißt ihr gerade erschienenes Album, auf dem das Raue und Unbehauene ihrer Anfänge mehr in Form gegossen und strukturierter wurde. Ihr Debüt war ein fünftägiger Schnellschuss gewesen, auf dem die E-Gitarre und der schmerzvolle Gesang fast konkurrenzlos im Mittelpunkt standen. Hier mal eine dräuende Synthie-Linie, dort ein bisschen Pauken-Pathos. Das war es auch schon. Ungemein fesselnd aber in seiner zupackenden Art.

Ihre manchmal auf sieben Minuten ausufernden Songs bauten auf Stille, Zerbrechlichkeit, Inferno, Ekstase und Schmerz auf. Um den schnellen Kick ging es Torres nie, ihr ging es um Atmosphäre - vorzugsweise düster. Und auch „Sprinter“ ist bei weitem kein heiteres Album geworden.

Die „Ausuferungen“ des Debüts hat Producer Rob Ellis, den man unter anderem durch seine Art mit PJ Harvey kennt, gebündelt und verdichtet. Ein bisschen mehr Pop ist es geworden, aber Torres' atmosphärischer und energiegeladener Indie-Rock bleibt dunkel. Portishead-Gitarrist Adrian Utley sorgte zudem für einige Sprengsel.

„Ich wollte meinem Album unbedingt mehr Groove geben“, sagte Torres im Interview mit der „Chicago Tribune“. „So ein Gefühl von Sexiness, und Erotik, von dem es meinem Gefühl nach nicht so viel auf der ersten Platte gab. Ich wollte mehr Spaß haben.“

Dieser neue „Spaß“ erinnert dabei durchaus an PJ Harvey oder Kim Deals Band The Breeders, aber das Fahrwasser verlässt Torres immer wieder, um ihren Songs eine ganz eigene Note zu geben.

Wenig spaßig sind die Texte, die von Religion, Philosophie und Literatur (John Donne) inspiriert von Einsamkeit, Isolation, Sexualität und Schmerz handeln. Das findet manchmal seine Erlösung in befreiendem Geschrei („Strange Hellos“), mal fließt es düster wie in dem Gothic-Stück „Son, You Are No Island“ dahin.

Torres schleppt noch eine Menge Ballast aus ihrer Vergangenheit mit sich herum. Aufgewachsen ist Mackenzie Scott in einer christlich-fundamentalistischen Familie in Macon (Georgia) - dem „Bible Belt“ der USA, war Außenseiterin in Nashville und landete schließlich in New York. Ein Typ wie Hitchcock hat sich in seinen Filmen ein Leben lang an seiner katholischen Erziehung abgearbeitet, Gruselgeschichten wie „Psycho“ sprangen dabei heraus.

„Mein Pfarrer erzählte uns: 'Habt keine Angst, sogar Zachäus fand sein Heil'“, heißt es in dem Titelsong „Sprinter“. Zachäus - nicht unbedingt ein Name, den man im Vorbeigehen aus dem Hut zaubert - war ein Sünder, der durch seine Begegnung mit Jesus sein Leben grundlegend änderte. Entsprechend mystisch, surrealistisch und poetisch ist das Video dazu ausgefallen.

Und wie klingt das live? Famos. Ein Verstärker, ein Mikro und eine E-Gitarre reichen Torres, als sie am Mittwoch (3. Juni) ihr Album im gut gefüllten Berliner Privatclub vorstellte.

Über ihre Songs ist sie noch mal mit dem Schmirgelpapier drübergegangen, als würde sie mit ihrem verzerrten Gitarrengewitter einen Granitblock mit der Axt bearbeiten. Infernalisch die Rückkopplungen, mit denen sie „Strange Hellos“ enden lässt - dabei aber spart Torres auch immer wieder Raum für lyrischere Passagen aus.

„Thank you for being here“, bedankt sich die Gitarristin, das blonde Haar fein hochgesteckt, ein wenig schüchtern mit einer glockenhellen Stimme, die in Schwingungen gebracht doch so stark und emphatisch ist. Sie sei ein bisschen nervös gewesen, offenbarte Torres dann noch, die wahrlich keine große Plaudertasche ist. Sie lässt lieber ihre Gitarre sprechen.