Katzenjammer: Verrückte Frauen vom Fjord
Schräge Bands aus Norwegen haben Tradition. Die Frauen-Combo Katzenjammer setzt dem fast schon die Krone auf: mit einem Mix aus Folk, Blues, Chanson und Country.
Oslo. Einer Sache können sie sich schon jetzt rühmen: Es dürfte wohl keine andere Combo mit einem so unpassend passenden Namen geben. Marianne Sveen, Turid Jørgensen, Solveig Heilo und Anne Marit Bergheim gründeten 2005 eine Band — und nannten sie Katzenjammer.
Und das, obwohl ihre Lieder doch so gar nichts mit Katzenjammer als dem Gefühl der Ernüchterung nach überschwänglicher Freude zu tun haben. Vielmehr klingen sie nach purer Lebenslust.
Indes: Der Name leitet sich ja auch ab von der ältesten Comic-Serie der Welt, den Katzenjammer-Kids aus den USA. Die vergöttern die vier jungen Norwegerinnen. Und das wiederum trifft den Nagel auf den Kopf.
Man hört deutlich, wie Marianne Sveen beim Telefon-Interview am anderen Ende der Leitung lacht, als sie auf die Frage nach den musikalischen Einflüssen auf ihre Truppe antwortet: „Film-Musik, Bruce Springsteen, Folk und Cartoons“ — und damit recht hat.
Weil Katzenjammer nämlich einen bislang einmaligen, herrlich verrückten Genre-Mix spielen. Sowohl auf ihrem Debüt „Le Pop“ (2008) als auch auf ihrer zweiten Platte „A Kiss Before You Go“, die gestern erschienen ist. Da rauscht aus dem Lautsprecher Gypsy-Musik vom Balkan heran und vermischt sich mit Jazz, Punk, russischen Tänzen, Country, Schauer-Walzern, Folk, Chanson und Pop.
Die Musik von Katzenjammer ist wie ein Basar, auf dem fliegende Händler aus Paris, Moskau, Oslo, Dublin und Nashville ihre Waren feilbieten, während nebenan die Kinder Karussell fahren, Tom und Jerry den Roadrunner verfolgen und ein Clown ins Zirkuszelt hineinwinkt.
Knapp 30 Instrumente bearbeiten Katzenjammer dazu im Studio und live auf der Bühne. Sveen erzählt, dass ihr Lieblingsinstrument derzeit die Balalaika ist. Aber das kann schnell wechseln: Sie spiele ja auch Klavier, Gitarre, Mandoline, Ukulele, Bass und Schlagzeug.
Mit dieser Attitüde von positiver Verrücktheit bewegen sich die Norwegerinnen durchaus in einer skandinavischen Tradition. Denn hoch im Norden gibt es eben auch Bands wie Turbonegro mit ihrem aberwitzigen Seemanns-Punk. Oder Kaizers Orchestra, die gern mit Baseballschlägern auf Benzintonnen kloppen und Gasmasken auf der Bühne tragen. Oder diese unzähligen kruden und wie Kalkleisten geschminkten Black-Metal-Combos.
„Vielleicht“, sagt Sveen, „wird man ja so, wenn man aus Norwegen oder Finnland kommt.“ Schließlich seien dort Sommer und Winter nicht gleich Sommer und Winter. „Entweder geht die Sonne gar nicht unter und man sitzt den ganzen Tag im Hellen. Oder es ist 24 Stunden am Stück dunkel.
Das prägt einen schon und hat auch Einfluss aufs Gemüt.“ Sie selbst habe beispielsweise zwischen Mai und September ihr kreatives Hoch — weil sie dann so aufgekratzt sei wegen der Mitternachtssonne. Ihren Bandkollegen gehe es da ähnlich.
Wenn alle genug geschrieben und vorbereitet haben, dann treffen sich Katzenjammer, sammeln die Ideen — und gehen wahlweise raus auf die Bühne oder ins Studio. Grenzen gebe es keine in ihrer Musik. „Oder zumindest fast keine“, sagt Sveen. „Wir würden nämlich alles spielen außer Dansband. Das ist eine Musikrichtung aus Schweden, die eher für alte Leute gemacht ist. Und bis wir uns damit beschäftigen, dauert es noch etwas.“
Sveens Äußerungen klingen so wie die Musik von Katzenjammer — ehrlich, sympathisch und rotzfrech. Das zeigt, wie selbstbewusst diese Band aus ehemaligen Musikstudentinnen ist, die nach diversen Erfolgen in Fernseh-Shows und bei Musik-Wettbewerben in ihrer Heimat langsam aber sicher auch den Rest Europas erobert — Auftritte in mehrere hundert Zuschauer fassenden Clubs sowie bei den Riesen-Festivals „Hurricane“ und „Southside“ inklusive.
Manch ein Musikexperte würde Katzenjammer deshalb vielleicht liebend gern mit dem Begriff „Girl Power“ umschreiben. Aber so eine nette, harmlos glatte und abgenutzte Floskel passt dann doch eher zu Lady Gaga oder Katy Perry. „Wenn ich uns in eine Schublade stecken müsste“, sagt Sveen, ohne auch nur einen Moment zu zögern, „dann würde ich ganz bescheiden sagen: Wir sind eine Frauen-Band, die unverschämt gute Musik macht und Spaß dabei hat.“
Dann lacht sie noch einmal laut und schallend. Katzenjammer haben keine Zeit für Katzenjammer.