Knallbunte „Turandot“-Premiere in München
München (dpa) - Mehr als 20 Jahre nach der letzten Neuinszenierung hat die Bayerische Staatsoper in München wieder eine neue Interpretation von Giacomo Puccinis „Turandot“ - und eine besonders spektakuläre dazu.
Carlus Padrissa von der katalanischen Künstlergruppe „La Fura dels Baus“ gibt sein Debüt an der Staatsoper und verlegt die Geschichte um die eiskalte Prinzessin Turandot, die ihre Verehrer reihenweise köpfen lässt, ins China der Zukunft. Nach der unterhaltsamen Premiere am Samstagabend gab es tosenden Applaus, allerdings auch einige Buh-Rufe für die knallbunte Inszenierung. Diese galten - wie so oft an der Staatsoper - vor allem dem Regie-Team.
Die Zukunft des Reichs der Mitte stellen sich die katalanischen Künstler als Mischung aus Star Trek und Manga-Ästhetik vor, mit knallbunter Neon-Reklame und Menschen in käfigartigen Behausungen - Massenmenschhaltung.
Dabei entstehen teils wirklich beeindruckende, teils aber auch kitschig-überzogene Bilder (Bühne: Roland Olbeter). Zeitweise - etwa wenn schwarzgekleidete Henker und hübsche Cheerleader auf Schlittschuhen über die Bühne fegen und bei einigen Assoziationen ans Musical „Starlight Express“ hervorrufen - droht dem Regisseur das Stück im wahrsten Sinne des Wortes zu entgleiten. Die meist wenig aussagekräftigen 3D-Einspielungen sorgen immer wieder für Ablenkung und Unruhe, wenn das Publikum geräuschvoll nach den billigen, wackligen 3D-Brillen kramt.
Die Inszenierung verpasst viele Chancen, einen politischeren Ausblick auf ein China der Zukunft zu geben - aber sie bekommt auch immer wieder die Kurve. Die Kälte von Eisprinzessin Turandot erklärt der Regisseur mit einer einigermaßen schockierenden Vergewaltigungsszene in 3D. Nach der selbstlosen Opferung der Sklavin Liú wachsen grüne Bambussträucher in der kalten, künstlichen chinesischen Welt - als Turandot und ihr Verehrer Calaf sich endlich näher kommen. Bei der bildgewaltigen Bühnensprache gerät jedoch selbst die weltberühmte Arie „Nessun Dorma“ fast zur Nebensache.
Hauptdarsteller Marco Berti als Prinz Calaf konnte dennoch stimmlich überzeugen. Er und Jennifer Wilson als Turandot ernteten großen Beifall, wurden dabei aber - wie schon den ganzen Abend - von Ekaterina Scherbachenko als Sklavin Liù in den Schatten gestellt. Wilson enttäuschte im Vergleich, präsentierte sie die Prinzessin Turandot doch mit einer Distanz und Emotionslosigkeit, die durch ihre Rolle nur zum Teil zu erklären ist.
Am meisten gefeiert wurde - wie so oft an der Staatsoper - der Dirigent: Mit dem ehemaligen Generalmusikdirektor Zubin Mehta stand ein besonderer Liebling des Münchner Opernpublikums am Pult.