Koreas Musikszene nach „Gangnam Style“

Cannes (dpa) - Hip-Hop-Beats dröhnen aus dem Zelt. Drinnen ist es nur halbvoll, aber die Bands auf der Bühne werden begeistert gefeiert. Was die koreanischen Rapper Drunken Tiger, Yoon Mi Rae und Bizzy bei ihrem Konzert auf der Musikmesse Midem in Cannes bieten, ist eine energiegeladene Antwort auf K-Pop und „Gangnam Style“.

Die drei, schon viele Jahre im Geschäft, sind an die Côte d'Azur gekommen, um zu zeigen, was der südkoreanische Musikmarkt noch alles bietet. Der Moment scheint ideal: Schließlich blickt die Branche nach dem Mega-Erfolg von Psy besonders aufmerksam auf das asiatische Land.

Der Hype um Psy sei Fluch und Segen zugleich, erklärt Rapperin Yoon Mi Rae. „Natürlich hat er uns Türen geöffnet, dafür sind wir ihm sehr dankbar - egal was man von seiner Musik halten mag.“ Ihr Mann Tiger JK ergänzt: „Wir alle sind mit Psy befreundet.“ Aber es sei wichtig zu zeigen, dass südkoreanische Musik mehr bedeute als „Gangnam Style“.

„Meine Musik ist das komplette Gegenteil“, sagt etwa die Singer/Songwriterin Juniel, die auf ihrer ersten Europa-Reise ebenfalls auf der Midem vorbeischaut. Die 19-Jährige, in ihrer Heimat als vielversprechende Newcomerin gefeiert, setzt auf akustische Gitarrenmusik und koreanische Balladen. „Aber was Psy erreicht hat, ist schon der absolute Wahnsinn.“

Rückblick: Im Juli 2012 begann der weltweite Siegeszug von Park Jae Sang. Er veröffentlichte das Spaßstück „Gangnam Style“ mit den eingängigen elektronischen Tanzbeats. Wenig später ahmten Menschen rund um den Globus seinen Pferdesprung-Tanz nach. Psy erntete Preise, scheffelte Millionen und knackte die Milliardenmarke auf YouTube - als erster Künstler überhaupt. Der Vater von Zwillingen traf auf Top-Promis wie Madonna oder Barack Obama und sang in der Silvesternacht am New Yorker Time Square.

Auch Psy zog es am Wochenende nach Cannes, wo er bei den NRJ Music Awards am Samstagabend - wie zu erwarten - die meisten Trophäen absahnte. Gab er sich beim Empfang der Preise eher bescheiden, so war sein Auftritt wieder spektakulär: Im dicken Auto mit schönen jungen Frauen an Bord fuhr der Rapper auf dem roten Teppich vor. Die kreischenden Fans hatten teils Stunden hinter den Absperrungen ausgeharrt, um einen Blick auf den neuen Mega-Star zu erhaschen.

„Psy ist ein Wunder“, sagt Musik-PR-Mann Min Kim von der Agentur „Kocca“, der am Korea-Stand der Midem die Werbetrommel rührt. Aber in der koreanischen Musikszene habe sich schon in den letzten Jahren einiges getan. In der Tat: Bereits bei den MTV Europe Music Awards 2011 ging der „World Wide Act“-Preis an die südkoreanische Boyband Big Bang, während Lena oder Britney Spears das Nachsehen hatten

K-Pop, meist geprägt von androgynen Musiker, glitzernden Kostümen und aufwendigen Bühnenshows, sei besonders in dem wichtigen Musikmarkt Japan ein Hit, sagt Min Kim. Aber auch in den USA und in Frankreich feierten Popsternchen wie die Mädchenband 2NE1 (gesprochen: to anyone) Erfolge - im Gegensatz zu Deutschland. „Da haben wir es schwer.“ Nur an Psy seien die Deutschen natürlich auch nicht vorbeigekommen.

Und Psy selbst? Der will weiter auf der globalen Bühne mittanzen. Ein neues Album soll im März erscheinen. Bleibt abzuwarten, ob er hierzulande an seinen Mega-Erfolg anknüpfen kann oder ob „Gangnam Style“ ein One-Hit-Wonder bleibt - wenn auch ein ganz besonderes.