Liam Gallagher: Wildern in der Rockgeschichte

Liam Gallaghers Band „Beady Eye“ hat ihr zweites Album am Start. Das Rad haben sie damit nicht neu erfunden — aber gut zugehört.

London. Ihre Sonnenbrillen hatten die Brüder Gallagher nicht nur auf, um cool zu sein. Sondern auch, weil sie sich ab und an recht ordentlich in die Wolle bekamen. Nach einem Bier zu viel endete das schon mal in Handgreiflichkeiten. Bei einem Festival in Frankreich eskalierte im August 2009 die Situation. Noel Gallagher stieg aus und verkündete, es tue ihm leid, aber er könne „nicht einen Tag länger“ mit Bruder Liam zusammenarbeiten. Nach 18 Jahren das Ende der, wie die Brüder selbst gerne behaupteten, „besten Band der Welt“.

Der Vorteil: Oasis gibt es jetzt zweimal. Der Streit geht weiter aber die beiden Brüder bringen mit ihren neuen Formationen doppelt so viele Alben raus. Die erste Runde ging klar an Noel Gallagher’s High Flying Birds. Jetzt läutet Bruder Liam die zweite ein und legt mit seiner Band Beady Eye „BE“ vor.

Das Album ist besser als das Debüt. Doch kein Volltreffer. Liam wildert munter weiter in der Rockgeschichte. Das Riff von „Face The Crowd“ ist bei den Stooges geklaut („Loose“). Ebenso das von „Shine A Light“ („1969“). Die Basslinie von „Second Bite Of The Apple“ klingt sehr nach U2 („Dirty Day“). Während „Ballroom Figured“ einmal mehr an die Beatles („A Day In A Life“) erinnert. Muss man für so was eigentlich Tantiemen zahlen?

Der Sound ist gut. Die Refrains aber zünden nicht, und den Songs fehlt das Überraschende. Aber das war ja bei den letzten Oasis-Alben auch schon so. Mit „Soul Love“, „Don’t Bother Me“ und „Start Anew“ gibt es immerhin ein paar schön ruhige Nummern. Was nicht zuletzt Dave Sitek zu verdanken ist, der das neue Material nicht überproduziert hat. Die Band experimentierte bei den Aufnahmen mit Pro Tools, alten Musikkassetten, Samplern und iPhone-Apps, um ihre Vision für den Nachfolger zum Debütalbum „Different Gear, Still Speeding“ (2011) umzusetzen.

Kasabian-Gitarrist Jay Mehler ersetzt Jeff Wooton am Bass. Andy Bell und Gem Archer vollbringen an den Gitarren keine Wunderdinge. Bei „Soon Come Tomorrow“ denkt man, jetzt kommt endlich mal ein ordentliches Solo, doch ehe man sich’s versieht, ist auch schon wieder Schluss. Und Gallagher spricht mal wieder vom besten Album, das er je gemacht habe. „Wir haben während des Songwritings einen neuen Fokus gefunden — wir haben uns konzentriert und uns durch nichts ablenken lassen. Klare Köpfe — nicht so einen 90-Jahre-Mist. Diese Platte ist etwas ganz Besonderes für uns.“ Alles beim Alten also.

Beady Eye: BE, Columbia, 14,99 Euro