Midem-Cheft: „Wir können vorsichtig optimistisch sein“

Berlin/Cannes (dpa) - Die internationale Musikbranche versammelt sich in diesen Tagen im südfranzösischen Cannes. Bei der 47. Midem, eine der größten Musikmessen weltweit, diskutieren Künstler, Manager und Online-Experten noch bis Dienstag über neue Geschäftsmodelle und loten Chancen für die Zukunft aus.

Messechef Bruno Crolot (43) spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa über den Trend zur Globalisierung sowie neue Vermarktungsmodelle und erklärt, warum die Stimmung in der krisengeplagten Szene langsam wieder besser wird.

Das Internet hat der Musikindustrie jahrelang schwer zugesetzt. Wie sieht die aktuelle Marktlage aus? Wer sind die Hoffnungsträger?

Crolot: „Es gibt genug Anzeichen, vorsichtig optimistisch zu sein. Bei den digitalen Vertriebsformen - insbesondere beim Streaming - verzeichnen wir ein schnelles und starkes Wachstum. Natürlich ist der Verlust beim CD-Verkauf noch lange nicht ausgeglichen. Aber wir können hoffen, dass der digitale Markt in den nächsten zwei Jahren die Umsatzeinbrüche am physischen Markt kompensiert. Hinzu kommt das immer lukrativere "Brand"-Geschäft. Viele Unternehmen nutzen Musik, um ihre Produkte besser zu vermarkten, ihnen ein positives Image zu verleihen. Und sie sind bereit, dafür ziemlich viel Geld auszugeben.“

Heißt das, das Schlimmste ist überstanden?

Crolot: „Der Markt hat es immer noch schwer - zumal wir uns mitten in einer globalen Wirtschaftskrise befinden. Und es gibt nach wie vor Internet-Piraterie, auch wenn diese etwas zurückgegangen ist. So wurden etwa in Frankreich entsprechende Gesetze eingeführt, um die illegalen Downloads zu bekämpfen. Generell kann man sagen: Es gibt noch viel zu tun, aber die Stimmung ist weitaus besser als noch vor drei oder vier Jahren.“

Auf der Midem, sind dutzende Nationen mit eigenen Pavillons vertreten. Erstmals sind auch exotische Länder wie Malaysia, Ghana oder Senegal dabei. Ist da ein neuer Trend erkennbar?

Crolot: „Ja, die Globalisierung spielt eine immer größere Rolle. Künstler aus allen Kontinenten erobern den Markt. Afrika und Asien sind im Kommen. Zugleich hat das westliche Publikum einen großen Hunger auf neue Sounds aus Ländern, die es nicht gut kennt. Der südkoreanische Rapper Psy ist ein gutes Beispiel - und er ist nicht der Einzige. Das alles hängt natürlich mit dem Internet zusammen. Die Technologie macht es vielen einfach, Musik der globalen Weltöffentlichkeit zu präsentieren.“

Ein wichtiger Schwerpunkt der Messe ist das Vermarktungsmodell „Direct2Fan“. Wie können die Künstler das nutzen?

Crolot: „Das Internet bietet den Künstlern optimale Möglichkeiten zur Selbstvermarktung. Auf MySpace oder Facebook können sie mit den Fans in Verbindung treten und ein direktes Feedback bekommen. Sieben der zehn populärsten Twitter-Accounts sind von Musikern. Man muss aktiv und präsent sein, sonst verschwindet man langsam aus dem Bewusstsein der Fans. Viele Künstler können den Bereich Social Media gar nicht mehr allein stemmen sondern haben ein gutes Team um sich.“

Werden Musiker somit immer unabhängiger und brauchen gar kein Label mehr?

Crolot: „Naja, die meisten Künstler sind natürlich nach wie vor bei einem Label. Aber es gibt auch andere Beispiele - etwa Soulsängerin Joss Stone, die ihre eigene Plattenfirma gründete. Oder Amanda Palmer. Die US-Musikerin bat über die Crowdfunding-Website "kickstarter" um einen Vorschuss für ihr Album und bekam 1,2 Millionen Dollar von ihren Fans.“