Missklang begleitet Kent Naganos Abschied von München

München (dpa) - Auf das Publikum war Verlass. Mehr als zehn Minuten lang ehrten die Opernfans im Münchner Nationaltheater am Mittwochabend ihren scheidenden Generalmusikdirektor Kent Nagano.

Der hatte gerade eine inspirierte Aufführung von Richard Wagners „Parsifal“ dirigiert und nahm die Huldigung sichtlich gerührt entgegen. Doch sein Abschied von München verlief nicht ganz ohne Missklang.

Sieben Jahre lang hatte der US-Amerikaner mit japanischen Wurzeln die musikalische Leitung der Bayerischen Staatsoper inne, die zu den weltweit bedeutendsten Opernhäusern zählt. 2015 wird in gleicher Position an die Hamburgische Staatsoper wechseln. Manche Besucher dürften erwartet haben, dass zum Abschied der sonst alles andere als öffentlichkeitsscheue Staatsopernchef Nikolaus Bachler an die Rampe treten und ein paar wohlgesetzte Dankesworte sprechen würde. Bachler saß zwar während der Aufführung in der Direktionsloge, doch als die Jubelstürme einsetzten, verschwand er. Die Dankesworte blieben ungesprochen.

Bachlers Pressestelle hatte zuvor auf Anfrage mitgeteilt, dass es schon mehrere nicht öffentliche „Verabschiedungsveranstaltungen“ mit Orchester, Chor und Ensemble für Nagano gegeben habe. Und beim Mitarbeiterfest nach dem „Parsifal“, der letzten Vorstellung vor den sommerlichen Theaterferien, würden traditionell alle ausscheidenden Mitarbeiter verabschiedet, „darunter wird auch Herr Nagano sein“.

Vor drei Jahren war es zum Streit zwischen Nagano und Bachler gekommen. Der Dirigent zog den Kürzeren. Die genauen Hintergründe wurden nie öffentlich. Schriftlich ließ Nagano damals mitteilen, über 2013 hinaus nicht mehr für eine Vertragsverlängerung zur Verfügung zu stehen. Bayerns Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) hatte sich entschieden, lieber Bachler als Nagano zu halten. Wenig später wurde dann Kirill Petrenko als neuer Generalmusikdirektor präsentiert - ein Coup, als dessen Folge der einst auch in München als großer Neuerer bejubelte Nagano plötzlich zum alten Eisen gehörte.

Heubisch hatte sich bereits am Sonntag nach einem Konzert im kleinen Münchner Cuvilliéstheater bei Nagano bedankt und ließ jetzt auf Anfrage mitteilen: „Kent Nagano hat dem Münchner Opernpublikum musikalisches Neuland erschlossen und München internationaler gemacht. (...) Wir freuen uns, dass er bereits im Januar in München wieder im Nationaltheater dirigieren wird.“ Letzteres bezieht sich auf die Wiederaufnahme von Jörg Widmanns Oper „Babylon“, eine der wichtigsten Uraufführungen der Nagano-Ära in München.

In einem Interview hatte sich der Minister jüngst noch etwas despektierlich zu Naganos Dirigierstil eingelassen. Auf die Frage, was er sich von dessen Nachfolger Petrenko erwarte, antwortete er lakonisch „Emotionen“ und bediente damit das (Vor)-Urteil, dass Nagano ein kühler Kopfmensch sei und kein „Vollblutmusiker“, etwa wie Zubin Mehta, Naganos Vorgänger als Generalmusikdirektor der Staatsoper.

Oder eben wie Kirill Petrenko, der nach seinem von der Kritik in seltener Einhelligkeit bejubelten „Ring“ bei den Bayreuther Festspielen als neue Lichtgestalt der Klassikwelt gelten darf. Fragt sich, ob der gebürtige Russe, der die Öffentlichkeit und jeden Glamour meidet und ganz der Musik dienen will, mit dem auf Außendarstellung bedachten Österreicher Bachler besser klar kommt als Nagano.