Moll-Töne: Düsterer Ami-Rock für den Herbst
Berlin (dpa) - Die Tage werden kürzer, der Herbst kündigt sich an, die Musik dazu steht schon in den Läden: Drei noch recht unbekannte, talentierte US-Rockbands liefern behagliche Moll-Töne für die dunkle Jahreszeit.
Den größten Massen-Appeal verspricht OTHER LIVES - eigentlich ein Quintett aus dem staubigen Hinterwäldler-Staat Oklahoma, aber auf fast all ihren Songs erweitert um eine zehnköpfige Streicher- und Bläsergruppe. Dementsprechend orchestral, zuweilen bombastisch und immer etwas düster klingt die Musik auf ihrem zweiten Album „Tamer Animals“ - als hätten The National, Nick Cave und die Fleet Foxes gemeinsam zu viele Ennio-Morricone-Soundtracks gehört.
Auf „Old Statues“ mit seinen Engelschören und Twang-Gitarren entfaltet sich der Spaghetti-Western-Einfluss von Other Lives am deutlichsten. Aber auch auf den anderen zehn Songs wird Melancholie im Cinemascope-Format zelebriert. Dazu singt Band-Boss Jesse Tabish herzergreifend traurig, das Piano tröpfelt, die Klarinette von Colby Owens seufzt, die omnipräsenten Violinen und Celli sorgen für Drama (am schönsten in „Desert“). „Tamer Animals“ - das ist dunkel getönter Folkrock mit Klassik-Elementen, der bei allem Pathos aber nie hohl wirkt. Bei angemessen trüber Gemütsverfassung - ein Meisterwerk in Moll.
Aus der US-Indie-Metropole Portland/Oregon stammt SOUTHERLY, das Bandprojekt des Singer/Songwriters Krist Krueger. Auf „Youth“, dem zweiten Album für das rührige Hamburger Mini-Label Arctic Rodeo, bilden verhallte Klavier- und Gitarren-Sounds sowie Kruegers wandlungsfähige Stimme die Basis für zwölf attraktive Popsongs der eher düsteren Sorte.
Auch hier muss man wohl The National als Bezugspunkt nennen, wobei Southerly den ungleich erfolgreicheren Landsleuten in punkto Intensität und Songwriting-Kunst durchaus das Wasser reichen können. Das brillante Titelstück beginnt mit einem dröhnenden Gitarrenriff und erzeugt bis zum Orgel-Fadeout eine enorme Sogwirkung. Höhepunkte eines ausgewogen starken Albums: der herrlich dramatische Fünfminüter „Lust“ sowie die Power-Ballade „So You're Right“ und „Going Down“.
„Die Platte ist sehr düster. Ich weiß selbst nicht warum, denn wir sind sehr entspannte Leute“, sagt Joshua Ostrander, Sänger und Gitarrist von EASTERN CONFERENCE CHAMPIONS aus Southampton/Pennsylvania, über das zweite Album „Speak-Ahh“. Abgesehen vom sperrigen Namen ist auch diese Band auf einem vielversprechenden Weg mit ihrem überwiegend rauen, melodischen Indierock irgendwo zwischen Pearl Jam, Cold War Kids und The Twilight Singers.
ECC erfinden das Rad also nicht neu, aber sie werkeln doch auf einem hohen Niveau, und es gelingen ihnen einige Pop-Perlen, etwa im treibenden Opener „Attica“ und in der spannend arrangierten Ballade „Hell Or High Water“. Mit „A Million Miles An Hour“, dem Bonustrack der deutschen Ausgabe des Albums, schaffte es das Trio sogar neben Muse, Beck und Vampire Weekend auf einen „Twilight“-Soundtrack. Für junge US-Bands meist ein Vorbote für eine ordentliche Karriere jenseits des engen Indie-Zirkels.