Neue Weihnachts-CDs: Der passende Ton zum Fest
Vier Sängerinnen wollen in diesem Jahr Weihnachtsstimmung verbreiten. Ob das gelingt? Wir haben in die Alben hineingehört.
Düsseldorf. Am Sonntag ist der vierte Advent. Da liegen mindestens drei Wochen mit Whams „White Christmas“ im Radio schon hinter uns. Und wem genau George Michael sein Herz schenkte, ist spätestens jetzt völlig egal.
Musik zum Fest aber ist unverzichtbar. Papa sitzt am Klavier, das Töchterchen spielt Blockflöte, der Sohn Gitarre, und Mama singt „Süßer die Glocken nie klingen“ — oder so ähnlich. Für alle, bei denen es nicht so vorbildlich abläuft, haben wir in ein paar neue Weihnachts-CDs hineingehört.
Der ultimative Soundtrack fürs Fest? Die Spielregeln sind klar: Auf Glöckchen, viel Gefühl und Hintergrundchöre muss man sich schon einlassen, so sind Weihnachts-CDs eben.
Dieses Jahr wollen vier große Sängerinnen Weihnachtsstimmung verbreiten. Es könnte also dem Weihnachtsalbum von Maria Carey, das seit 1994 in gefühlt jedem zweiten deutschen CD-Regal verstaubt, an den Kragen gehen.
Da wäre im Reigen der Weihnachtselfen erst einmal Mary J. Blige, die in ihrer Karriere bereits neun Grammys einsackte und mit Weltstars wie Wyclef Jean, Dr. Dre und Eric Clapton zusammenarbeitete. Die Soul-Diva setzt mit — Achtung, Wortspiel — „A Mary Christmas“ (Universal Music, zwölf Lieder) auf perfekt arrangierte Weihnachtsklassiker und verzichtet auf Eigenkompositionen. Das schadet der CD ganz und gar nicht.
Bei Blige groovt man dem Fest mit „Have Yourself a merry little Christmas“ gut gelaunt entgegen. „Little Drummer Boy“ singt die 43-Jährige zusammen mit einem Gospelchor, alles endet mit einem Trommelschlag. Bumm und Ruhe. Herrlich theatralisch und amüsant zugleich. „Rudolph the red-nosed Reindeer“ kommt als Swing-Version mit Blechbläsern daher. Stark ist das Duett mit der Britin Jessy J:
Die beiden gefühlvollen klaren Power-Stimmen, die wunderbar harmonieren, stehen bei „Do you hear what I hear“ im Vordergrund. Höhepunkt aber ist zweifelsfrei Bliges Interpretation von „Petit Papa Noël“, einfach weil das französische Weihnachtslied eines der schönsten ist. Es erzählt von den bescheidenen Erwartungen eines Kindes, das den Weihnachtsmann um Verzeihung bittet, weil es „nicht jeden Tag brav war“. Was fürs Herz, wenn auch das Akkordeon etwas zu klischeehaft ist — aber so stellen sich Amerikaner wohl Frankreich vor. Absolut weihnachtstauglich.
Die amerikanische Sängerin Kelly Clarkson, die in der jüngsten Zeit musikalisch wenig von sich hören ließ, liefert mit „Wrapped in Red“ (Sony Music, 16 Lieder) nicht nur ein Titelbild, das die 31-Jährige wie Rotkäppchen mit rotem Wollkapuzenpulli über dem blonden Haar zeigt, sondern auch eine Weihnachts-CD, die aber leider streckenweise etwas anstrengt.
Gelungen sind das rockige „Run Rudolph Run“ sowie eine Country-Version von „Blue Christmas“, das auch schon Elvis und die Beach Boys gesungen haben. Eher belanglos kommt der Bing-Crosby-Evergreen „White Christmas“ in einer Lounge-Version daher — mit klimpernder Klavierbegleitung, extrem langsam aufgenommen.
Aus den Eigenkompositionen sticht das poppig-fröhliche „Underneath the Tree“ heraus. Leider schmettert Clarkson so manches Lied aber mit viel zu viel Vibrato. Obacht! Bei dem ein oder anderen hohen Ton könnten die Kristallgläser auf der Festtafel zerspringen.
Leona Lewis’ Weihnachtsalbum „Christmas with Love“ (Sony Music, zehn Lieder) besticht durch ihre zarte Stimme. Verzeihen wir der 28-jährigen Britin, was sie mit „White Christmas“ anstellt — danke, aber geschunkelt wird anderswo. Davon abgesehen ist das Album eine runde Sache. Die Eigenkompositionen „One more Sleep“ oder „Mr. Right“, fröhliche Popsongs im Motown-Sound mit vielen Glöckchen im Hintergrund, verbreiten gute Laune.
Beim sanften „Halleluja“ berührt Lewis’ kristallklare Stimme ganz besonders. Insgesamt ist die Mischung gelungen: Aufgedrehtes wechselt sich mit Ruhigem, Besinnlichem ab. „O holy Night“, dessen Refrain mit großem Chor gesungen wird, mag manch einer kitschig finden, aber spätestens beim klassischen „Ave Maria“ und „Silent Night“ („Stille Nacht“) — a cappella gesungen — ist der Zuhörer verzaubert.
Für die 80er-Ikone Kim Wilde war es „immer ein Traum, ein Weihnachtsalbum aufzunehmen“. Der wurde mit „Wilde Winter Songbook“ (Edel Records, zwölf Lieder) wahr. Wer gern mitschmettert, muss hier viel auswendig lernen: Wilde hat nämlich gleich sechs Eigenkompositionen beigesteuert, die natürlich nicht alle so eingängig sind wie die bekannten Klassiker.
Zu spüren ist, dass die 54-Jährige mit Freude dabei ist, dass sie das Album für sich aufnimmt. So entsteht beinahe eine intime Atmosphäre, zumal Wilde bei den Aufnahmen ihre halbe Familie um sich geschart hat. Das ruhige „Burn Gold“ singt sie mit Ehemann Hal Fowle. „White Winter Hymnal“ stimmt sie keck mit Vater Marty — seines Zeichens erfolgreicher Rock’n’Roll-Sänger der 50er — und Bruder Ricky dreistimmig an. Vielleicht gibt es sie ja doch, diese Bilderbuchfamilie, die im Licht des Weihnachtsbaums gemeinsam musiziert. Hach . . .