Neues Album der Killers: Auf der Suche nach Wahrheit

Nur mitreißende Pop-Hymnen zu schreiben, waren die Killers leid. Deswegen zitieren sie auf „Day & Age“ die kompletten 80er. Und bleiben trotzdem mitreißend.

Düsseldorf. Den Satz, dass es total nach 80ern klinge, was die Killers machen, hört man immer wieder. Anders als bei den meisten anderen Bands, denen dieses Urteil zuteil wird, ist es kein Vorwurf. Es ist eine Feststellung. Meistens sogar ein Lob.

Nicht etwa, weil es außergewöhnlich kreativ wäre, was das Quartett um den leicht milchgesichtigen Springinsfeld Brandon Flowers mit seinen Instrumenten anstellt.

Eher, weil die Killers mit ihren mal melancholischen, dann wieder nervös aufpeitschenden, aber immer im höchsten Maße schwelgerischen Pop-Hymnen daran erinnern, dass zwischen 1980 und 1989 nicht alles schlecht war - auch wenn die hochtoupierten Wasserstoffsträhnen von Kylie Minogue und Sheena Easton eher im Gedächtnis kleben als die ironisch gebrochene Zurückhaltung von New Order oder die brachiale Intensität der Gang of Four.

Genau an ihnen, all den Bands, die als hemmungslose Stilexperimentalisten unter den Sammelbegriff Postpunk subsumiert wurden, orientieren sich die Killers. Nicht nur. Aber hauptsächlich. Ihre wichtigste Maxime scheint bei aller Kunstbeflissenheit zu sein, etwas erschaffen zu wollen, in dem man sich verlieren kann.

Musik als emotionaler Resonanzboden, Songs, die spätestens nach dem zweiten Hören zu Bestandteilen des eigenen Lebenssoundtracks werden, so treffend bringen sie den menschlichen Drang nach Schönheit ohne Perfektion, nach Gefühligkeit ohne billigen Kitsch auf den Punkt.

Brandon Flowers ist mit seiner zur Schau getragenen Widersprüchlichkeit für dieses philantropische Musikkonzept der ideale Werbeträger. In der Schule als hässlicher Außenseiter abgestempelt, prangt der 27-Jährige heute auf den Titeln der einschlägigen Stilinstanzen, immer wieder für seinen gewagten wie eleganten Kleidungsstil gelobt.

Er ist überzeugter Mormone, lebt aber scheinbar das ausschweifende Leben eines Rockstars. Nicht zuletzt inszeniert er sich immer wieder als leicht entrückter Peter Pan, füllt zu Hause aber bereits seit zwei Jahren die Vaterrolle aus. Leben ist facettenreich. Musik sollte es deswegen bitte auch sein.

Die Kompositionen der Killers mögen noch so sprunghaft und verschlungen sein. Geheimnisvoll ist an ihnen nichts. Im Gegenteil: Ihr Drang nach Wahrheit, nach unverstelltem Sentiment, ist schnell erklärt, wenn man sich vor Augen führt, dass sie in einer Stadt aufgewachsen sind, von der man eigentlich denkt, ihre Einwohner würden den ganzen Tag nur spielen, saufen und sich Botox spritzen lassen.

Las Vegas, Wahlheimat von Siegfried und Roy und Cher, neongeflutetes Trabantenetwas in Nevada, gebaut auf Sand, genährt aus Dekadenz und menschlicher Verzweiflung. Wer hier erzogen wird, in der gelebten Vordergründigkeit, muss Künstler werden oder innerlich verkümmern. Die Killers haben sich für ersteres entschieden.

Mit von Beginn an überwältigendem Zuspruch. Zwölf Millionen Mal verkauften sich ihre ersten beiden Alben, das eine, "Hot Fuzz" von 2004, mit flächendeckendem Kritikerlob überschüttet, das zweite, "Sam’s Town" von 2006, dann nur deswegen von den gleichen Geschmackspolizisten geschmäht, weil es das Erfolgsrezept des ersten zu blaupausenhaft kopierte. Gute Musik war es trotzdem.

Den Vorwurf, immer noch gleich zu klingen, müssen sich die Killers mit "Day & Age" nicht mehr gefallen lassen, so viel steht fest. Produziert wurde es von Stuart Price, dem Mann, der 2005 für Madonna die Discokugel drehte. Freunde der wuchtigen Schrammeleien werden die zehn Tracks regelrecht entschlackt finden. Tatsächlich handelt es sich aber um akustische Kalorienbomben.

Süßliche Synthesizer, hohl hallende Saxophone, kühl kreischende Leadgitarren und verspielt irrlichternde a-cappella-Chöre. Alles, was die 80er hergeben, haben die Killers bis auf den letzten Kunststoffspreißel aus ihnen herausgefräst und zu einem bunt blubbernden Zitat-Konzentrat kanalisiert.

Ein Konzeptalbum ist es trotzdem nicht geworden. Dafür hat es zu viel von dem, wofür die Killers einmal als eine der wichtigsten Bands der Nuller-Jahre gelten werden: Seele.