Neues Album von Gossip: Beth Ditto kehrt mit "A Joyful Noise" zurück

Begriffe wie „Randgruppe“ oder „Protest“ sind bei Gossip seit ihrem Durchbruch 2009 in den Hintergrund gerückt. Geblieben ist eine kraftvolle Rockband mit prägnanter Frontfrau.

Düsseldorf. Wo sie auftaucht, richten sich die Blicke auf sie: Beth Ditto. Sie fällt auf mit ihrer selbstbewussten und vorlauten Art. Die Frontfrau des amerikanischen Trios Gossip ist bekannt für ihre Üppigkeit, ihr dickes Make-Up und extravagante Kleider.

Aus ihrem Aussehen hat sie nie einen Hehl gemacht. Die 31-Jährige hat keine Modelfigur — und modelt trotzdem. So posierte sie 2009 nackt auf dem Cover des Londoner Modemagazins „Love“ — nur ein Stück Stoff bedeckte die intimsten Stellen.

Bei der Pariser Fashion Week lief Ditto für den französischen Modeschöpfer Jean Paul Gaultier über den Laufsteg — in einem knappen Minirock mit schwarzer Netzstrumpfhose und Pumps.

Eigentlich erwartet man nicht, dass in Zeiten von Magermodels die Kollektion eines Topdesigners von einer Frau präsentiert wird, die bei einer Körpergröße von 1,57 Metern knapp 100 Kilo auf die Waage bringt. Doch das Motto der Präsentation lautete: „Big Is Beautiful“ (zu deutsch: „Dick ist schön“).

Nicht umsonst gilt Ditto als „Advokatin für füllige Frauen“, versucht sie doch mit ihrem Auftreten, das Selbstbewusstsein übergewichtiger Menschen zu stärken. Die Vogue ernannte sie unlängst zum neuen „It-Girl“.

Zu ihren Freunden gehören Kate Moss und Karl Lagerfeld, der noch dazu einer ihrer größten Fans ist: „Diese Frau muss nicht dünn sein. Sie hat viel Energie. Das ist der Wahnsinn“, sagte der deutsche Modezar.

Zusammen mit Ditto besuchte er Modenschauen in Paris, sie durfte neben ihm in der ersten Reihe sitzen. Weil das in Modekreisen einem Ritterschlag gleichkommt, wurde Beth Ditto in der Klatschpresse schnell zur „neuen Muse von Lagerfeld“. Die Sängerin hat diese Gerüchte längst dementiert.

Auch auf der Bühne hindert sie ihre Figur nicht daran, eine wilde Show abzuliefern: Sie springt, tanzt und zieht sich gern einmal bis auf die Unterwäsche aus. Ihre Band Gossip befindet sich gerade auf einem Höhenflug.

Das Trio hat es geschafft, sich vor drei Jahren mit seinem Album „Music For Men“ auf dem internationalen Markt nach ganz oben zu katapultieren. Zwar war es zu diesem Zeitpunkt schon die vierte Platte der Amerikaner, aber so richtige Beachtung schenkte man ihnen erst nach der Single „Heavy Cross“. Das Stück hielt sich fast zwei Jahre in den deutschen Charts. Seitdem gehören Gossip zu den begehrtesten Formationen im Rock-Pop-Geschäft.

Ein bisschen erinnert ihr Erfolg an den Lady-Gaga-Effekt: Ein verrücktes, skurriles Auftreten mit der Mischung aus Talent, Spielerei und zeitgemäßer Musik. Gossip vermischen Rock, Soul und Discomusik mit der markanten Stimme von Beth Ditto. Eine Schublade, in die man sie stecken könnte, gibt es nicht.

Der Erfolg ließ fast zehn Jahre auf sich warten. Gossip gründeten sich 1999, nachdem Ditto mit den Musiker-Freunden Nathan Howdeshell (Gitarre) und Kathy Mendonca (Schlagzeug) aus ihrem Heimatdorf Searcy in Arkansas nach Olympia gezogen war. Das Städtchen im US-Bundesstaat Washington war in den 90er Jahren vor allem bekannt für seine ausgeprägte feministische Musikszene, die sogenannte „Riot-Grrrl“-Bewegung (zu deutsch: aufständische Mädchen).

Beeindruckt von Bands wie Bikini Kill oder Sleater-Kinney probte das Trio anfangs im Keller des gemeinsamen Hauses — es war laut und unprofessionell. Gossip nahmen zwei Alben auf, keines davon wollte so richtig zünden. Erst als die erfahrene Schlagzeugerin Hannah Blilie drei Jahre später zu ihnen stieß und Mendonca ersetzte, entwickelte sich die Band zu einer ernstzunehmenden Formation.

2006 machten sie mit „Standing In The Way Of Control“ in den USA und auch in Großbritannien erstmals auf sich aufmerksam. Sie spielten im Vorprogramm der Scissor Sisters, traten auf dem legendären Glastonbury Festival in England auf. Dann schrieben Gossip mit „Heavy Cross“ den Song ihres Lebens.

Mit „A Joyful Noise“ erscheint nun das fünfte Studioalbum, produziert von Brian Higgins (Kylie Minogue, Pet Shop Boys). Doch der größte Einfluss während des Schreibens kam aus Schweden: „Ich habe das ganze Jahr nur ABBA und überhaupt kein Radio gehört“, verrät Ditto.

Deshalb ist wohl erneut eine Mischung aus energiegeladenen Groovenummern mit typischen Rockeinschlägen entstanden — dominiert von Beth Dittos wandelbarer Stimme. Sie steht im Mittelpunkt, egal, was sie tut.