Patrice: Seine Songs zielen aufs Herz

Der gebürtige Kölner Patrice kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Sein neues Album ist bunt wie das Leben, für jede Stimmung hält es das passende Stück vor.

Düsseldorf. Besser kann man einen neuen Song nicht ins Gedächtnis von tausenden Zuhörern brennen: Es ist Sonntag, 7. Juli. Der letzte Tag des Summerjam Festivals in Köln. Auf der roten Bühne, der „großen“, steht Patrice und fackelt ein Feuerwerk ab.

Der 34-Jährige erledigt musikalisch, was die Pyrotechniker erst beim finalen Stück seines Auftrittes tun. Dann explodieren über den Köpfen der Fans tatsächlich die Raketen. Das traditionelle Abschlussfeuerwerk des Reggaefestivals — und Patrice liefert mit seiner Single „Cry Cry Cry“ den Soundtrack.

„Woi, woi, woi, never want to see my girl cry, cry, cry“ ist ein Refrain, der sofort zuschlägt, der nach der zweiten Strophe mitgesungen werden kann. Patrice gibt noch einmal alles. Die Fans johlen. Der Ohrwurm bleibt hängen.

An dieser Stelle muss eine Rückblende erlaubt sein — schließlich ist Patrice schon seit mehr als 13 Jahren auf der Bildfläche. Er ist zu einer Zeit mit Reggaemusik großgeworden, als sein Publikum kaum verstand, warum sich noch jemand mit einer Akustikgitarre auf eine Bühne setzt. Hip-Hopper hatten sich seinerzeit aufgemacht, die Jugend zu erobern.

Ein gewisser Tilmann Otto, der sich damals noch „Mr.“ Gentleman nannte, brachte 1999 sein erstes Album heraus. Eine Großkombo aus Berlin mit dem Namen Seeed zog 2001 nach. Und mittendrin Patrice, der sein Debüt „Ancient Spirit“ im Jahr 2000 veröffentlichte. Der gebürtige Kölner war Anfang des neuen Jahrtausends der dritte im Bunde der heiligen deutschen Reggae-Dreifaltigkeit.

Hits wie „Soulstorm“, „Up in my room“ oder „Another one“ sprechen klar eine karibische Sprache. Als Patrice eigentlich den großen Erfolg hätte einheimsen können, verließ er die Schienen des rot-gelb-grünen Reggaezugs und mischte vermehrt Soul, Funk oder Jazz-Elemente ein.

Mit seinem sechsten Studioalbum kommt die Wiedergeburt des Reggae in Patrice’ Musik — jetzt, da das Genre in Deutschland zwar eine wachsende und treue Szene hinter sich hat, aber im Mainstream kaum mehr Beachtung findet. „Ich habe einfach keine Lust dazu, das zu machen, was momentan angesagt ist“, sagt Patrice dazu.

„The Rising of the Son“ — das Album, das seit gestern im Handel ist — ist eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Und die bestehen aus Reggae. „Das ist einfach die Musik, die ich am meisten fühle“, sagt Patrice, der viel Zeit auf Jamaika verbracht hat, um sich dort mit den Künstlern des sogenannten Reggae-Revival bekannt zu machen.

Stars der Szene wie Protoje oder Tarrus Riley zählt er zu seinen Freunden. Don Corleon, Produzent von Weltformat (unter anderem Sean Paul, Gentleman), steuerte zwei Roots-Produktionen („Every second“, „One day“) bei. Ansonsten hat Patrice das Album selbst aufgenommen.

Dafür hat er noch tiefer gegraben. Mit bloßen Händen. Das Album wurde größtenteils analog produziert. Die Songs klingen so erdig, dass der Herzschlag des Planeten über die Basslinien zu spüren ist. Das Bild passt auch textlich: „We are borrowing this world from the children“ , „wir leihen uns diese Welt von den Kindern“, singt er im wunderschönen Duett mit der Jamaikanerin Ikaya — und fordert dazu auf, die Erde im Sinne unserer Nachkommen zu formen.

Wer Patrice kennt, weiß, dass er diese im Reggae tausendfach gehörte und ebenso oft als Gutmenschentum kritisierte Mentalität nicht als ein eben solcher rüberbringt. Es gehört einfach zu seinem Charakter, positiv zu denken — trotz aller Sorgen. Er fordert nahezu spielerisch dazu auf, sich selbst aus Schubladen und Zwängen zu befreien („Boxes“).

Das ist auch beruflich sein Ansatz: „Bevor ich anfange, Songs aufzunehmen, versuche ich, mich von allem freizumachen und alles zuzulassen. Je weiter ich mich von dem absetze, was ich sonst mache, desto besser“, sagt der zweifache Vater. Sein siebenjähriger Sohn Nile spielte übrigens eine große Rolle beim Song „God bless you La La La“, den Patrice mit Cody Chesnutt aufgenommen hat. Vater und Sohn besuchten Chesnutt in London. Nile gefiel Codys Musik.

Er schrieb ihm einen Song. „Cody hat die Melodie nicht mehr aus dem Kopf bekommen, dann haben wir daraus das Lied gemacht“, sagt der stolze Papa lächelnd — und gibt den Weg, den sein neues Album gehen soll, klar vor: „Ich will damit in die Herzen der Menschen.“