Pop, Politik und Persönliches: "Elbow" mit neuer CD
Die Freunde von Elbow bleiben für ihr neues Album bei den alten Stärken, setzen allerdings auf mehr Spontaneität.
Düsseldorf. Im Fall von Elbow ist der Traum von der Band aus alten Freunden Wirklichkeit geworden. Seit den frühen 90ern machen sie zusammen Musik: Sänger Guy Garvey, Gitarrist Mark Potter unterstützt von Pete Turner am Bass, Craig Potter an den Keyboards und Richard Jupp hinterm Schlagzeug. Eine lange gemeinsame Zeit, in der Elbow von der Probenraum-Kapelle im nahe Manchester gelegenen Ramsbottom zu einer der wichtigsten zeitgenössischen britischen Bands gewachsen sind.
Auch der Klang hat sich im Laufe von sechs Alben entwickelt, ohne die Liebe zu melancholischen Melodien zu verlieren. Von Routine blieb die Band dabei verschont, ebenso wie von zu vielen negativen Kritiken.
Mit dem Debütalbum „Asleep In The Back“ wurden Elbow bereits 2001 für den renommierten Mercury-Prize nominiert, mit dem vierten Album „The Seldom Seen Kid“ gewannen sie ihn 2008 schließlich. Im Folgejahr wurden sie bei den Brit-Awards als beste Band Großbritanniens ausgezeichnet: Der Star-Status war endgültig erreicht. Zwischen Headliner-Slots auf Festivals und weltweiten Touren behielten die Musiker jedoch ihre Erdung im Nordwesten Englands. Einzig Sänger Guy Garvey lebte einige Zeit „zwischen New York und Manchester“, wie er sagt.
Für die Aufnahmen zu den Alben zogen sich Elbow regelmäßig in die Blueprint Studios in Salford zurück. Hier wurde auch zwei Jahre lang gemeinsam mit Tontechniker Danny Evans an „The Take Off And Landing Of Everything“ gewerkelt.
Doch so vertraut Umgebung und Mannschaft, so neu war mitunter die Arbeitsweise. Statt wie früher den groben Entwurf eines Bandmitglieds in einer kollektiven Probenraum-Session zu vollenden, bevor man ins Studio geht, setzen Elbow beim neuen Album auf spontane Entwicklung und die Summe der einzelnen Teile.
Eines der Lieder, das diese Herangehensweise am deutlichsten prägte, ist „Fly Boy / Lunett“. Für das sechsminütige Stück zeichnet die Rhythmusgruppe aus Turner, Potter und Schlagzeuger Jupp verantwortlich. Beeinflusst wurde die Entscheidung, das Lied zunächst ohne Sänger und Gitarrist entstehen zu lassen, durch die Beatles. Sänger Harvey hatte für das britische Radio 2 eine Dokumentation über deren „White Album“ eingesprochen und war von der Vielzahl unterschiedlicher Songwriter-Stile begeistert.
Welch große Inspiration die Beatles für Elbow sind, lässt sich nicht nur an diesem Beispiel ablesen. Es klingt in vielen Melodien nach, es scheint durch die einfühlsamen und durchdachten Texte hindurch.
Auch in „New York Morning“, dessen Piano-Melodie sich gemächlich aufbaut, hat ein Mitglied der legendären Gruppe Spuren hinterlassen: „John Lennon hat in seiner letzten Pressekonferenz in Großbritannien gesagt, dass er und seine wahre Liebe Yoko Ono nach New York zögen, weil es das moderne Rom sei“, erzählt Texter Guy Harvey. „Daran habe ich gedacht, als ich das Lied eines Morgens um sechs in einem Restaurant in Manhattan schrieb.“
Ein wiederkehrendes Thema des sechsten Elbow-Albums ist das Älterwerden. So setzen sich die Briten in ihren Stücken damit auseinander, dass die 30er endgültig hinter ihnen liegen. „Die meisten Menschen haben bereits eine wichtige Person im Leben verloren, wenn sie 40 werden. Und in meinem Fall bleiben sie im Geiste immer sehr präsent“, kommentiert Harvey das getragene „My Sad Captains“.
„Ich habe das Lied aber auch für all jene geschrieben, die ich einfach nicht mehr sehe, weil das Leben sie woanders hin verschlagen hat.“ Das Stück zeigt einen gereiften Blick auf sich wandelnde Lebensumstände.
Zu diesem charakterlichen Zuwachs gehört es auch, dass Elbow, die sich in ihrer Karriere immer wieder für wohltätige Zwecke engagierten, mit „The Blanket Of Night“ einem dunklen Kapitel der Tagespolitik widmen. Das Lied thematisiert am Beispiel eines verzweifelten Pärchens auf dem Weg in ein fremdes Land die dramatischen Probleme von Flüchtlingen weltweit. So gelingt es Elbow, mit ihrem neuen Album Pop, Politik und Persönliches zu vereinen.