Popexperte sieht Musiker immer stärker unter Druck
Mannheim (dpa) - Kreativ sein, in den Medien eine gute Figur machen, immer in der Öffentlichkeit stehen - Künstler müssen einem immensen Druck standhalten. Manche griffen da zu Alkohol und Drogen, wie Amy Winehouse, sagte der Leiter der Mannheimer Popakademie, Udo Dahmen, am Montag im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
Frage: Warum haben so viele Musiker Probleme mit Alkohol und anderen Drogen?
Udo Dahmen: „Ich glaube, das Thema ist mehrschichtig. Aber ganz deutlich ist immer wieder dieser Unterschied vom Eigenbild zum Fremdbild. Das heißt: Die schnelle, große Karriere, die ständige Öffentlichkeit und gleichzeitig der Druck, immer wieder einen hohen kreativen Output haben zu müssen - bei bestimmten Psychogrammen von Künstlern entsteht dann eben der Drang, sich einen zusätzlichen Treibstoff zu verschaffen. Und das können Alkohol und Drogen sein.“
Ist das denn ein neues Phänomen? Das gab es doch auch schon vorher.
Dahmen: „Salopp gesagt: Jeder Künstler muss ja auch ein bisschen verrückt sein, um in der Lage zu sein, sein Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Das Phänomen von Alkohol, Drogen und Künstlertum ist ja nicht neu. Es bezieht sich auch nicht allein auf die populäre Musik - das kennen wir bei Schriftstellerkarrieren ganz genauso. Ich denke, es hat mit einem sehr, sehr großen Druck der Öffentlichkeit zu tun und gleichzeitig mit einer speziellen, oft sehr fragil aufgestellten Persönlichkeit.“
Aber früher gab es diese multimediale Aufmerksamkeit nicht - das sah man auch gerade bei Amy Winehouse. Ein Handy-Video von ihrem letzten Konzert in Belgrad ging um die Welt...
Dahmen: „Das ist auf alle Fälle ein sehr viel schwierigeres Thema geworden. Heutzutage sind sehr viele Zusammenhänge transparenter - durch Social Media. Gleichzeitig ist es sehr wichtig, dass ein Künstler selbst eine ganz große Kontrolle darüber behält und er dann auch Konzerte absagt, bevor er sich so entblößt.“
Hat der Druck vonseiten der Musikindustrie zugenommen?
Dahmen: „Mit Sicherheit ist es heute so, dass mit kleineren Umsätzen der Druck sowohl auf die Tonträgerfirmen als auch auf die Künstler größer ist als früher. Termine, auch Medientermine, sind sehr viel umfangreicher, weil auch viel mehr Kanäle bedient werden müssen. Das heißt, dass Zeit ein sehr, sehr knappes Gut ist.“