Red Hot Chili Peppers: „Behalte deine Dämonen!“
Paris (dpa) - Mehr als 25 Jahre haben die Red Hot Chili Peppers mit Produzent Rick Rubin zusammengearbeitet. Dann bricht sich Bassist Flea beim Snowboarden den Ellbogen, die Arbeiten am neuen Album verzögern sich.
Als ein neuer Produzent übernimmt, schmeißt die Band 20 bis 30 Songs weg und fängt noch mal von vorne an.
Am Ende steht mit „The Getaway“ das elfte Studioalbum der Kalifornier. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur spricht Sänger Anthony Kiedis in Paris über gebrochene Herzen, indische Heiler und düstere Gedanken, die in das neue Album eingeflossen sind.
Frage: Das neue Album heißt „The Getaway“ (deutsch: „Die Flucht“). Wohin flüchtet Anthony Kiedis gerne?
Antwort: „Die Natur ist mein liebster Ort zum flüchten. Sich einfach aufs Surfbrett legen und raus aufs Meer paddeln. Es gibt dann keine Elektronik, kaum Menschen; nur Pelikane, Himmel, Strand und Wellen. Ich finde das sehr wichtig und sehe das zum Beispiel bei meinem Sohn: Eines der schönsten Dinge bei ihm ist, dass er sich einfach wegdenken kann. Manchmal müssen wir uns einfach mal zurücklehnen und relaxen und uns auch mal erlauben, uns weg zu träumen. Musik ist ein guter Ort, wo man das tun kann.“
Frage: Das Album sollte eigentlich schon letztes Jahr veröffentlicht werden. Was ist dazwischengekommen?
Antwort: „Das Album war im letzten Jahr nicht mal fertig produziert! Wir hatten einen massiven Rückschlag, als wir aufnehmen wollten und sich unser Bassist Flea beim Snowboarden seinen Ellbogen gebrochen hat. Er konnte sechs Monate nicht Bass spielen. Deswegen mussten wir neun Monate warten, bis wir die Aufnahmen anfangen konnten. Aber das war gut so. Wir brauchten diese neun Monate auch.“
Frage: Nach 25 Jahren Zusammenarbeit haben Sie sich entschieden, nicht mehr mit Rick Rubin als Produzent zusammenzuarbeiten. Warum kam dieser Schritt?
Antwort: „Es ging nicht darum, dass wir nicht mehr mit Rick zusammenarbeiten wollten - er ist immer noch ein guter Freund. Wir wollten einfach mal was Neues ausprobieren, als es um die neuen Aufnahmen ging. Wir wollten auf eine andere Art kreativ sein. Und Brian Burton war perfekt dafür, weil er anders arbeitet. Er schreibt viel im Studio und lässt Dich einfach losschreiben und lossingen, wo ich mich sonst eigentlich zuhause zurückgezogen hätte. Das ist ungewohnt und auch unangenehm. Aber ich glaube, dadurch ist etwas Neues und Wunderbares entstanden.“
Frage: Viele Lieder waren schon fertig, und dann hat die Band doch noch mal von vorne angefangen. Wie hängen die Songs auf dem Album zusammen?
Antwort: „Es ist ein sehr persönliches Album. Viele Lieder entspringen einem gebrochenen Herzen und einer Beziehung, die auseinandergegangen ist und die mich mit einer Menge Schmerz und Sorgen zurückgelassen hat. Das ist eigentlich ein guter Punkt, von dem aus man anfangen kann, ein Album zu machen und Songs zu schreiben.“
Frage: Daher also auch die erste Single „Dark Necessities“ (deutsch etwa: „Düstere Bedürfnisse“)?
Antwort: „Ja, es geht ja immer um diese Beziehung zwischen Licht und Schatten. Als John Frusciante noch in der Band Gitarre spielte, hat er herausgefunden, dass ich zu einer indischen Heilerin gegangen bin. Die tropft heißes Öl auf die Stirn, um die dunkle Energie und alle schlechten Gedanken herauszuholen. John hat das gehört und ist ausgerastet. Er hat gesagt: 'Du brauchst diese dunkle Energie! Du musst deine Dämonen behalten!' Und er hat Recht. Es klingt verrückt, aber er wusste, dass aus diesen dunklen Ecken viel Energie kommt.“
Frage: Ihr habt gerade bei „Rock am Ring“ gespielt. Was ist das Besondere am deutschen Publikum?
Antwort: „Meine Beziehung zu Deutschland hat sich total verändert. Am Anfang habe ich Deutschland nicht verstanden. Ich hatte den Eindruck, dass alles sehr kalt und berechnend war. Mittlerweile bin ich mit jedem Besuch beeindruckter und empfinde mehr Liebe für Deutschland. Ich finde es zum Beispiel total beeindruckend, dass Deutschland so viele Flüchtlinge aufnimmt. Das ist total warmherzig und unterscheidet sich sehr von dem Bild, das du als Kind in einer amerikanischen Schule von Deutschland vermittelt bekommst.“
Frage: Gibt es noch Kontakt zu Nina Hagen?
Antwort: „Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört, aber wir hatten früher häufig Kontakt. Ich habe viel von ihr gelernt. Als ich sie ganz früher mal bei einem Konzert in einem Keller in Hollywood kennengelernt haben, da hat sie uns total Mut gemacht, weil sie sagte: 'Die ganze Welt wird Eure Musik hören wollen.' Und das war so ein kleiner Samen Optimismus, den sie in mir gesetzt hatte.“
Zur Person: Anthony Kiedis (53) ist Sänger und Gründungsmitglied der Funk- und Hip-Hop-Band Red Hot Chili Peppers aus Kalifornien. Die Band hatte 1991 ihren Durchbruch mit dem Album „BloodSugarSexMagik“. Später folgten Hits wie „Californication“ und „Scar Tissue“.