Renée Fleming: „Ich singe am liebsten auf Deutsch“
New York (dpa) - Mehr als 50 Rollen hat die US-Operndiva Renée Fleming in ihrem Leben bereits gesungen, überall auf der Welt. Wenn sie am Samstag als Desdemona in Verdis Othello auf der Bühne der Metropolitan Oper in New York steht, wird ihr Auftritt über das „Live in HD“-Programm gleichzeitig in mehr als 60 Länder weltweit übertragen.
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erzählt die 53 Jahre alte Sopranistin, die zu den weltweit anerkanntesten Opernsängerinnen gehört, von den Eigenheiten des deutschen Publikums, Patzern auf der Bühne - und räumt mit dem Klischee auf, dass alle guten Opernsängerinnen füllig sein müssen.
Sie haben ein riesiges Repertoire in vielen verschiedenen Sprachen. Wie behalten Sie das alles im Kopf?
Fleming: „Das Gedächtnis ist wirklich faszinierend. Wenn ich etwas Herausforderndes lerne in einer Sprache, die ich nicht spreche, wie Russisch oder Tschechisch, dann sind das die Sachen, die am besten haften bleiben. Die haben sich fürs Leben in meinem Unterbewusstsein eingeprägt. Wo auch immer ich in 40 Jahren sein werde - ich werde sicher ein russisches Stück vor mich hin singen. In all den Jahren habe ich 54 Rollen in vielen verschiedenen Sprachen gelernt. Aber das hat sich einfach so ergeben, ich war immer neugierig.“
Haben Sie eine Lieblingsrolle?
Fleming: „Eine Hand voll. Die Desdemona in Othello ist sicher eine. Nächstes Jahr singe ich hier die Rosalka, die liebe ich schon immer. Und in Zukunft will ich mich auf Richard Strauss fokussieren - Arabella und Capriccio zum Beispiel.“
Gibt es einen Unterschied zwischen den Zuschauern in verschiedenen Ländern? Wie ist zum Beispiel das deutsche Publikum?
Fleming: „Ich liebe es, nach Deutschland zu fahren. Das Publikum ist sehr kultiviert, gebildet und schätzt dasselbe Repertoire wie ich. Manche Strauss-Sachen - wenn es nicht gerade „Die Fledermaus“ oder „Der Rosenkavalier“ ist - verkaufen sich in den USA einfach nicht so gut wie in Deutschland.“
Und wie ist es auf Deutsch zu singen? Viele Menschen sagen ja, die Sprache wäre eher sperrig.
Fleming: „Ich singe eigentlich am liebsten auf Deutsch, lieber als zum Beispiel auf Italienisch. Vielleicht weil ich es fließend spreche, aber auch weil es so bunt ist. All diese vielen Töne geben der Sprache etwas sehr Interessantes. Das mag ich lieber als eine Sprache, die so gut wie keine Ausdifferenzierung hat.“
Bevorzugen Sie eine traditionell inszenierte Oper oder eine moderne?
Fleming: „Das ist mir eigentlich egal. Hauptsache, es ist hohe Qualität. Wird die Geschichte interessant erzählt und bekommt das Stück ein neues Leben? Als ich in Frankfurt studiert habe, sah ich wie sich dort die ganzen modernen konzeptionellen Inszenierungen entwickelten. Da habe ich großartige, bahnbrechende Sachen gesehen. Aber es sollte Raum für alles geben.
Dem Klischee zufolge müssen gute Opernsängerinnen füllig sein. Das sind Sie nicht.
Fleming: „Ach, das hat sich verändert. Es gab das Klischee, weil es eine Reihe von großen Stimmen in großen Frauen gab. Aber wenn man in die Geschichte schaut gibt es auch viele schlanke Frauen, die sehr berühmte Opernsängerinnen waren. Heute geht es wieder sehr ums Aussehen auf der Bühne. Es gibt noch füllige Sänger, aber deswegen weil sie herausragende Stimmen haben.“
Ist bei Ihnen schon einmal etwas richtig schiefgegangen auf der Bühne?
Fleming: „Oft! Man fällt, oder die Haare bleiben an einem Knopf hängen, Perücken fallen ab oder gehen in Flammen auf - irgendetwas geht immer schief. Einmal ist mir einfach das Kostüm runtergefallen, aber das war glücklicherweise bei einer Probe. Das gehört einfach dazu, schließlich ist die Kunstform live und wir sind auch nur Menschen. Und - ehrlich gesagt - die Zuschauer lieben es. Sie können dann eine Geschichte erzählen, es ist lustig und macht es unvergesslich.“