Rossinis „Cenerentola“ knallbunt in Hamburg
Hamburg (dpa) - Es fehlte nicht viel, und man hätte sich in eine perfekte Musical-Show versetzt gefühlt. Lautlos rotierende Roboter, die als Kameramänner einer TV-Reality-Show „Auf Brautschau“ fungierten, und Hostessen auf trendigen Roller-Skates flitzten über die Bühne, die als New Yorker Banken-Zentrale in deutlicher Schieflage mit abstürzenden Monitor-Kursen ausstaffiert war.
Der kanadische Regisseur Renaud Doucet (ehemals Tänzer und Choreograph) und sein Bühnenbildner André Barbe hatten Gioacchino Rossinis gewitzt betörende Buffa-Oper „La Cenerentola“ in die Zeit des amerikanischen Börsen-Crashs der 30er Jahre verlegt.
Aschenputtel erschien dabei - im extravagant bis bizarr kostümierten Gesamt-Ensemble - als adrettes Bankfräulein, das die Büro-Drecksarbeit macht, um schließlich durch Unschuld und Güte das „Yes, I will“ ihres Prinzen zu erringen. Mal Comic, mal Revue, mal tänzelnder Fantasy-Verschnitt: die smarten Kanadier kennen sich aus in allen Stilen, allen gefälligen Retro-Moden. Ihre „Cenerentola“ nahm sich denn auch wie ein großes, glamouröses, letztlich aber doch eher harmlos unterhaltendes Ausstattungsspektakel aus.
Zum Glück gab es prächtige Sänger. Allen voran die spanische Mezzosopranistin Maite Beaumont als Cenerentola. Sie hatte in der Ära Metzmacher in Hamburg bereits Triumphe gefeiert als hinreißende Händel- und Mozart-Interpretin. Ihr Mezzo ist dunkel timbriert, von ausnehmend schöner Wärme. Alles andere also als eine kalte Koloraturen-Maschine. Bis zum virtuos strahlenden Ende setzte sie denn auch weniger auf Rossinis gleißendes Verzierungswerk als auf anrührend beseelte Charakterstellung.
Ihr zur Seite der inzwischen als Rossini-Tenor renommierte Russe Maxim Mironov, der dem Prinzen Don Ramiro mit heller, federnder Stimme bei starker Bühnenpräsenz reizvolles Belcanto-Profil gab. In der Bombenrolle des garstigen Vaters Don Magnifico glänzte Enzo Capuano ebenso wie Viktor Rud als drahtziehender Diener Dandini. Schön giftig: Gabriele Rossmanith und Renate Spingler als fieses Schwesternpaar. Die Sänger ernteten mehrfach Szenenapplaus.
Am Pult der Philharmoniker stand der Mailänder Dirigent Antonello Allemandi, der für den erkrankten kolumbianischen Jungstar Andres Orozco-Estrada eingesprungen war. Allemandi suchte den schlanken, surrenden, feingliedrigen Rossini-Klang, der sich das grobe Schmettern weitgehend versagt. Der große Rossini-Wurf war es dennoch nicht.