Sängerinnen im Vergleich: Schroeder und Hannigan

Berlin (dpa) - Zwei starke Stimmen, zwei Sounds, zwei Grundstimmungen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Der August bietet die Chance, neue Alben der Singer-Songwriter-Damen Andrea Schroeder und Lisa Hannigan im direkten Vergleich zu hören.

Foto: dpa

Ob der Mensch nun zu Gott oder zum Teufel betet, ganz egal: „It all goes down“, singt ANDREA SCHROEDER im Titelsong ihrer dritten Platte „Void“ (Glitterhouse/Indigo) zu bedrohlich marschierenden Drums und düster dräuenden, verzerrten Gitarren. Die Atmosphäre: dunkelgrau bis schwarz - und es wird auch in den folgenden zehn Liedern nicht viel heller oder heiterer um die Künstlerin aus Berlin-Wedding.

Foto: dpa

„Black Sky“ heißt der zweite Song, der zwar dank Folk-noir-Anklängen näher bei Nick (Cave) liegt als bei Nico, mit der Schroeder schon seit ihrem Auftauchen in der Indierock-Szene verglichen wird. Die deutsche Velvet-Underground-Sängerin (1938-1988) nahm sie erst spät so richtig wahr. „Nico kannte ich vorher gar nicht“, sagte Schroeder der Deutschen Presse-Agentur. „Weil ich ebenfalls Harmonium spiele und eine dunkle Stimme habe, kam wohl der Vergleich zustande. Erst danach habe ich mich in Nicos Soloalben reingehört.“

Und das hört man nun auf „Void“ fast noch stärker als auf den beiden Vorgängern „Blackbird“ (2013) und „Where The Wild Oceans End“ (2014). Das neue Werk unter der Regie ihres Partners Jesper Lehmkuhl inszeniert Schroeder als Vamp mit sinnlich-dunklem Sirenengesang - eine Art Gothic-Version von Lana Del Rey.

Die Gitarren sind weniger folkig, ja dreckiger als zuletzt (was womöglich mit dem erstmaligen Verzicht auf Chris Eckman am Produzentenpult zu tun hat), die Melodien sind bei all ihrer üppigen Pracht schattiger denn je. Und Schroeders mächtige Stimme traut sich noch etwas mehr Pathos zu („Was Poe Afraid“), aber eben auch ganz viel Sensibilität („Little Girl“).

Wertung: Vier von fünf Lakritz-Fledermäusen

Unmittelbar danach „At Swim“ (Pias) von LISA HANNIGAN zu hören, kommt fast einem Schock gleich. Einem Zuckerschock, um genau zu sein. Denn die 35-jährige Irin ist vielleicht die Sängerin mit dem derzeit höchsten Niedlichkeitsfaktor. Schon die Cover-Optik unterscheidet sich grundlegend: Hannigan frontal und sehr mädchenhaft, mit verschränkten Armen im hochgeschlossenen, verspielt gemusterten Kleid - Schroeder als seitwärts blickende Mysteriosa im ärmellosen (natürlich schwarzen) Kunstpelz-Jäckchen.

Bei Gesang und Arrangements setzt sich der Eindruck fort: Hannigan gibt das zarte, zerbrechliche Wesen, das zu Piano, Gitarre, Standbass und (wenig) Schlagwerk zarte, zerbrechliche Lieder singt. Hin und wieder kommen Cello, Banjo oder Posaune zum Einsatz in Songs, die teilweise von bekannten Kollegen wie Joe Henry, Aaron Dessner (The National) oder Iain Archer (Snow Patrol, Tired Pony) mitgeschrieben wurden.

Das schrammt manchmal haarscharf am Kitsch vorbei, wird durch den Zauber von Hannigans kehlig raunender oder dramatisch kippelnder Stimme am Ende aber meist gerettet. Vor allem das hymnische „Prayer For The Dying“, getragen von Dessners seufzender Nashville-Gitarre und inspiriert von einer Krankheits- und Todesgeschichte, oder die Klavierballade „We, The Drowned“ vermögen zu Tränen zu rühren.

Wertung: Drei von fünf Frucht-Gummibärchen

Konzerte Andrea Schroeder: 26.11. Thun/Schweiz, 27.11. Karlsruhe, 29.11. Dresden, 30.11. Wien, 6.12. Bonn, 7.12. Frankfurt/Main, 8.12. Cottbus, 10.12. Hannover, 11.12. Berlin

Konzerte Lisa Hannigan: 29.10. Zürich, 1.11. Berlin, 2.11. Köln