Schätze mit Saiten - Geiger auf Mäzene angewiesen
Berlin (dpa) - Eine Stradivari als Geldanlage? Immer mehr Investoren setzen auf wertvolle Geigen, um vom sicheren Wertzuwachs der Streichinstrumente zu profitieren.
„Das hat mit Musik eigentlich nichts mehr zu tun. Wie auf dem Kunstmarkt werden hier künstlich die Preise in die Höhe getrieben“, sagt der britische Stargeiger und Neu-Berliner Daniel Hope (42) in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Zumindest für jüngere Leute ist es heute praktisch unmöglich, ohne Mäzen eine gute Geige in die Hand zu bekommen.“
Drastischstes Beispiel für die Kostenexplosion: Vor fünf Jahren erzielte die 1721 gefertigte „Lady Blunt“ des legendären italienischen Baumeisters Antonio Stradivari bei einer Benefiz-Auktion den Rekordpreis von umgerechnet 11,6 Millionen Euro. 40 Jahre zuvor war die edle Dame bei einer Versteigerung schon einmal die teuerste Geige der Welt geworden - allerdings mit vergleichsweise lächerlichen 84 000 Pfund.
Doch längst sind bei Investoren und Spekulanten nicht mehr nur die alten italienischen Meister aus Cremona gefragt. Einen riesigen Wertzuwachs verzeichnen nach Einschätzung des Aachener Auktionators Georg Bongartz derzeit auch „halbmoderne“ Geigen aus den 1930er und 1940er Jahren.
„In Zeiten, in denen man für sein Geld keine Zinsen bekommt, versuchen sich Anleger in Sachwerten abzusichern“, sagt der auf Saiteninstrumente spezialisierte Experte, Vater des deutschen „Teufelsgeigers“ David Garrett. Die Folge: Viele der ohnedies raren Geigen landen im Tresor, die Preise explodieren weiter. „Das sind Größenordnungen, bei denen Künstler kaum mitgehen können“, so Bongartz.
Die Deutsche Stiftung Musikleben in Hamburg hat sich auf Abhilfe spezialisiert. Sie verleiht seit 1993 wertvolle historische Instrumente an junge Spitzenmusiker. Die 21-jährige Berliner Studentin Mayumi Kanagawa etwa erspielte sich beim Wettbewerb vor wenigen Wochen eine über 300 Jahre alte Violine des italienischen Baumeisters Pietro Guarnerius. „Sie hat einen wunderbar kräftigen und tiefen Klang, der auch in einem Konzertsaal trägt“, sagt die in Frankfurt geborene und in den USA aufgewachsene Japanerin.
Inzwischen hat die Stiftung fast 200 Instrumente zu verleihen, beinahe Zweidrittel kommen von privaten Besitzern - darunter sogar eine Stradivari und eine Guarneri del Gesù. Auch Stargeigerin Julia Fischer gehörte einst zu den Stipendiaten. „Junge Solisten sind heute auf solche Hilfe angewiesen, wenn sie im harten globalen Wettbewerb bestehen wollen“, sagt Stiftungspräsidentin Irene Schulte-Hillen. „Auch der begnadetste Geiger kann aus einer alten Holzkiste nicht das Beste rausholen.“
Selbst Spitzenmusiker können sich oft das eigene Trauminstrument nicht mehr leisten. Anne-Sophie Mutter dürfte mit ihren gleich zwei Stradivaris („eine endlose Liebesgeschichte“) eine ziemliche Ausnahme sein. Auch David Garrett spielt nach Angaben seines Managers Tobias Weigold-Wimmer klassische Konzerte mit der eigenen „Ex-Busch“-Stradivari von 1716.
Der Starviolinist Frank Peter Zimmermann sorgte dagegen für Aufsehen, als er im Januar seine neue Leih-Stradivari in der Berliner Philharmonie vorstellte. Ein deutsch-chinesischer Geschäftsmann hatte ihm die „Grumiaux“ von 1727 zur Verfügung gestellt, nachdem Zimmermann seine geliebte „Lady Inchiquin“ in den Querelen um die Kunstsammlung der WestLB hatte abgeben müssen - 4,9 Millionen Euro hatten als Kaufangebot nicht gereicht. „Herr Yu ist ein weiser Mann“, sagte Zimmermann über seinen neuen Leihgeber. „Er kauft Geigen nicht nur als Wertanlage. Er weiß: Geigen müssen arbeiten.“
Auch Daniel Hope hält die Zusammenarbeit mit einem Mäzen für eine Win-Win-Situation. Eine namentlich nicht genannte Familie aus Deutschland hat für ihn die „Ex-Lipinski“ (1742) von Guarneri del Gesù erworben. „Die Menschen, die mich ausgesucht haben, wollen natürlich auch eine Investition machen“, sagt Hope. „Ich spiele sie jetzt seit vier, fünf Jahren, und inzwischen ist sie sicherlich das Doppelte wert. Ich könnte mir so ein Instrument niemals leisten.“