Simon Grohé: Er erzählt aus seinem Leben

Simon Grohé verarbeitet Krankheit und Tod seiner Mutter auf dem neuen Album „Mamaoerf“. In aller Schwere blitzen aber auch Humor, Wortwitz und Ironie auf.

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Düsseldorf. Der 1. Mai 2010 sollte eigentlich ein guter Tag für Simon Grohé werden. Damals nannte sich der heute 28-Jährige noch Eskimo the Soulion und stand mit seiner Band vor dem Auftakt der gemeinsamen Tour. Als er einen Anruf seiner Mutter bekam, änderte sich die Situation schlagartig. Sie berichtete ihm von ihrer schweren Krankheit. Noch im selben Jahr starb sie.

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Eine schwere Zeit, die der Musiker mit Hilfe von Familie und Freunden überstand. Gestern hat der Bonner, der seit anderthalb Jahren in Berlin lebt, seine LP „Mamaoerf“ herausgebracht. Schon im Titel steckt die Verneigung: Diese Platte ist auch ein Tributalbum. Von Simon Grohé an seine Mutter.

Wer depressive Klagelieder erwartet, in denen schwere Streicher und Emotionen vorgaukelnde Floskeln bemüht werden, der irrt allerdings. Grohés Texte sind grundehrlich. Und er verschweigt nicht, wie die Dinge waren und sind. „Der 1. Mai ist kein fiktives Datum. Er gehört zu meinem Leben. Ich könnte auch irgendwelche lustigen Sachen singen. Aber so bin ich halt nicht. Ich erzähle Geschichten, die mir passieren“, sagt der Sänger über die Single „Mai“. Und dennoch blitzen immer wieder Humor, Wortwitz und Ironie in seinen Songs auf.

Denn trotz der tiefgreifenden Themen seien die Aufnahmen „vielmehr befreiend“ gewesen. Die Musiker hätten eine tolle Zeit im Studio gehabt, sagt Grohé. Und auch diese Freude spiegelt der Titel wider: „Mamaoerf soll meine Musik auf keinen Fall ins Lächerliche ziehen. Aber trotz allem Ernst will ich bei den Hörern auch ein Schmunzeln erzeugen“, sagt Grohé, der seinen Künstlernamen bewusst abgelegt hat, um deutlich zu machen, dass es nicht um eine Kunstfigur, sondern um ihn als Menschen geht.

Mittlerweile trägt die Band des Wahl-Berliners den Namen Soulions. Zusammen mit Grohé schaffen es die vier Musiker, die Wurzeln des 28-Jährigen in Einklang zu bringen. Angefangen hat Grohé mit Hip-Hop, er entdeckte den Reggae für sich und verliebte sich in die Soulmusik. Im erwähnten „Mai“ fügt sich das Bild wohl am offensichtlichsten zusammen: Es ist ein Rap, den Grohé über einen tänzelnden Reggae-Offbeat legt, der vor Soul-Elementen nur so strotzt — Wah-wah-Gitarre und Farfisa-Orgel wie aus der Detroiter Motown-Schule inklusive.

Jedem, der Musik gerne in Schubladen packt, hat Grohé passend zu seinem Stilmix auch ein paar Zeilen dagelassen: „Wie kannst du rappen, wenn du doch Reggae machst? Wie kannst du singen, wenn du doch Rapper bist?“, textet er ironisch in „Wie kannst du?“ gegen die Engstirnigkeit — denn die versperre allen nur den Weg.

Das Team rund um den Bartträger, den man selten ohne Mütze sieht, ist Teil einer neuen Strömung im Musikbusiness. Durch das Internet und die Mp3-Krise hat sich das Geschäft verändert. Veröffentlichungen sind durch Anbieter wie iTunes einfacher geworden. Immer mehr Musiker versuchen, ihr eigenes Ding zu machen, ohne auf große Plattenfirmen angewiesen zu sein. Wie beim Buchdruck kann heute jeder seine Kunst einer größeren Öffentlichkeit präsentieren.

So ähnlich lief es bei Urban Tree Music, dem Label von Grohés Berliner Kumpels und Partnern Jens P. Neumann und David Buchholz. Letzterer hatte als Sänger ein professionelles Reggae-Album vorgelegt, aber kein Label wollte es mit dem gewünschten Engagement veröffentlichen. Nach zwei intensiven Wochen voller Überlegungen gründeten sie Urban Tree Music. Das kleine Unternehmen veröffentlicht nicht nur die Musik von Simon Grohé und anderen, sondern dreht auch gleich Videos und sorgt fürs Marketing. Um mit Grohés Platte durchzustarten, greifen die Freunde aber auf eine Agentur zurück, die „Mamaoerf“ deutschlandweit vermarktet. Jetzt hoffen sie, dass ehrliche, handgemachte Musik weiter Zukunft hat.

Seiner Mutter konnte Simon Grohé keine Songs von dem neuen Album mehr vorspielen. Er hat aber noch mit ihr darüber gesprochen — zum Beispiel über das Lied „Immer dann“. „Ich habe mir immer vorgestellt, dass es nach dem Tod eine Verbindung gibt. Dass meine Mutter über mir schwebt. Und dann wird sie alle meine Songs auch jetzt hören“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung — und unterstreicht seine Worte im Refrain: „Immer dann, wenn du auf den Boden blickst, immer dann guck’ ich nach oben zurück. Immer dann, wenn du da oben bist, immer dann weiß ich, warum es mich gibt.“