Spanischer Stargitarrist Paco de Lucía gestorben
Madrid (dpa) - Die Welt des Flamenco trauert um ihren größten Gitarristen. Paco de Lucía, der in Mexiko im Alter von 66 Jahren einem Herzinfarkt erlag, hatte die Musik der „Gitanos“ (Zigeuner) im Süden Spaniens einem breiten Publikum bekanntgemacht und sie um neue Elemente bereichert.
Dabei war Francisco Sánchez Gómez, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, alles andere als ein typischer Flamenco-Musiker: Er stammte nicht von Gitanos ab, und er war kein Sänger.
Im Flamenco dominierten traditionell die Sänger, die Gitarristen dienten eher der Begleitung. „Der Gesang ist die wahre Identität des Flamenco“, räumte Paco de Lucía einmal selbst ein. „Ich habe immer versucht, mit der Gitarre zu singen. Von daher bin ich ein gescheiterter Sänger.“
Paco de Lucía war ein Perfektionist, der in der Musik ständig nach neuen Horizonten strebte. Seine Tourneen und Aufnahmen mit den Jazzgitarristen Al Di Meola und John McLaughlin machten ihn weltweit berühmt. Das Trio zählte in den 80er Jahren zu den Supergruppen, die in jener Zeit in Mode waren. Das Live-Album „Friday Night in San Francisco“ wurde ein riesiger kommerzieller Erfolg.
Dabei fühlte Paco de Lucía sich nie als ein Star. Der Musiker war ein zurückhaltender und bescheidener Mann, der große Menschenmassen nach Möglichkeit mied. Ihn trieb das Streben nach Perfektion an. „Manchmal wünschte ich mir ein Leben ohne Musik“, sagte er. „Die Musik verschafft mir mehr Leiden als Zufriedenheit. Ich hatte geglaubt, die ständige Angst und Unsicherheit mit zunehmendem Alter zu verlieren, aber das Gegenteil ist der Fall.“
Er war am 21. Dezember 1947 in der südspanischen Hafenstadt Algeciras als Sohn eines wenig erfolgreichen Gitarristen geboren worden. Mit fünf Jahren erhielt er von seinem Vater die erste Gitarre, mit zwölf verdiente er sein Geld mit Auftritten zusammen mit seinem Bruder Pepe. Als Teenager ging er mit einer Flamenco-Gruppe erstmals auf eine Tournee in die USA. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit dem Hit „Entre dos aguas“ (Zwischen zwei Gewässern). Dabei hatte er das Rumba-Stück nur aus Verlegenheit aufgenommen, weil auf einer Platte noch einige Minuten fehlten.
Als besonders erfolgreich erwies sich seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Sänger Camarón de la Isla, der 1992 starb und bis heute als der beste Flamenco-Interpret aller Zeiten gilt. Die beiden Musiker bereicherten den Flamenco um neue Elemente der Popmusik und anderer Richtungen und führten ihn damit aus kleinen Lokalen hinaus in große Konzerthallen. Als Paco de Lucía 2004 mit dem angesehenen Prinz-von-Asturien-Preis ausgezeichnet wurde, sagte er: „Wenigstens die Hälfte der Auszeichnung ist für Camarón de la Isla. Er war sehr wichtig für die Entwicklung dieser Musik.“
Allerdings machte der „Revolutionär an der Gitarre“, wie die Zeitung „El País“ Paco de Lucía charakterisierte, sich mit der Erneuerung des Flamencos nicht nur Freunde. Von Puristen musste er sich vorhalten lassen, die alte Musik der andalusischen Gitanos zu verfälschen und zu verwässern. Der Gitarrist wies die Vorwürfe zurück. „Der Flamenco verliert nichts, sondern er gewinnt etwas“, sagte er. „Ich habe keine Angst, dass diese Musik ihre Essenz verlieren könnte, denn sie ist tief verwurzelt.“
Der Musiker ließ es nicht bei Ausflügen in den Jazz bewenden. Anfang der 80er Jahre gründete er ein Sextett, das den Flamenco nicht nur mit Gesang und Gitarre intonierte, sondern auch auf Saxofon, Flöte, Bass und Schlagzeug setzte. Anfang der 90er Jahre wagte Paco de Lucía sich in die klassische Musik vor und nahm ein Album mit Stücken des spanischen Komponisten Manuel de Falla (1876-1946) auf.