Thees Uhlmann wollte mit fünf Showmaster werden

Berlin (dpa) - Tomte-Boss Thees Uhlmann veröffentlicht sein erstes Solo-Album, und es klingt anders als die Musik der Hamburger Vorzeige-Band: wuchtiger und amerikanischer, die Texte persönlicher. Die Deutsche Presse-Agentur sprach mit dem Sänger und Songwriter.

Hallo, Thees Uhlmann! Warum jetzt eine Solo-Platte - muss man sich um Tomte Sorgen machen?

Uhlmann: „Nee, muss man nicht. Tomte war immer eine große Energieleistung für mich, und dafür hatte ich zur Zeit keine Kraft. Ich wollte einfach mal eine Thees-Uhlmann-Platte machen.“

Waren die neuen Lieder vielleicht auch zu persönlich für Tomte? Und was unterscheidet einen Uhlmann-Song von einem Tomte-Song?

Uhlmann: „Zum einen: Für meine Solo-Platte habe ich alles auf dem Klavier komponiert, bei Tomte immer alles auf der Gitarre. Das ist natürlich eine ganz andere Herangehensweise, man erfindet dazu andere Gesangsmelodien. Zum anderen war bei Tomte immer eine zweite oder dritte Text-Ebene drin. Bei meiner Solo-Platte bedeuten viele Texte eins zu eins das, was da steht.“

Ihr Solo-Album spiegelt teilweise Ihre Jugend in der Provinz. Was bedeutet Ihnen Heimat?

Uhlmann: „Ich habe die ersten 22 Jahre meines Lebens in Hemmoor gewohnt, einem Ort in Nordniedersachsen, zwischen Cuxhaven und Hamburg. Ich leg' auch Wert darauf, dass das nicht so ein malerisches Fischerdörfchen ist, sondern 'ne rumpelige Kleinstadt. Ich hab' mich mit vielen Leuten unterhalten, die auch in Städten wohnen und zu mir sagten: Ich möchte nach Hause - ich weiß noch gar nicht, wo das ist, aber nach Hause. Das ist der Unterschied zwischen Heimat und Zuhause. Mir ist aufgefallen, dass ich mich sehr aufgehoben fühle in Hemmoor, wenn ich mit meiner Tochter zu meiner Mutter fahre und dort den Alltag verlebe.“

Sie sind jetzt Solo-Songwriter, schon länger Band-Boss bei Tomte und Label-Chef, früher Musikjournalist und Indie-Label-Angestellter. Ein Leben rund um Musik. Eine logische Entwicklung?

Uhlmann: „Na ja, meine Mutter sagte mir mal, ich hätte schon mit fünf Jahren Showmaster werden wollen... Den Beruf gibt's ja heute gar nicht mehr. Alles andere ist eine Anhäufung von Zufällen, Schicksal und Überzeugung.“

Macht es heute noch Spaß, Musiker und Label-Boss zu sein? Und ist die Indie-Nische heute wirklich die bessere Lösung als unter dem Dach einer großen Plattenfirma zu veröffentlichen?

Uhlmann: „Wir merken die Krise natürlich auch. Ich versuche das möglichst romantisch zu sehen. Ich höre mir Musik an, schau nach, ob die Band schon eine Plattenfirma hat, und schreibe sie dann an. Wenn man irgendwann die Platte in der Hand hat, von einer Band, die man selber entdeckt hat, dann ist das eine Sache von großer Romantik. Leute wie ich, die aus der Punkszene kommen, sind wohl auch für große Plattenfirmen gar nicht geschaffen. Ich glaub', es ist gut für Major Labels, dass die nicht mit mir rumhängen müssen.“

Ihr Soloalbum lebt wie viele Tomte-Lieder von griffigen Textzeilen. Wie lang arbeitet man daran, Klischees aus dem Wege zu gehen?

Uhlmann: „Ich habe noch nie so viel an meinen Texten gearbeitet wie diesmal. Ich hatte ein dickes schwarzes Buch, in das ich meine Zeilen reingeschrieben habe. Meinen Produzenten Tobias Kuhn habe ich als Medium gebraucht, er hat gesagt: "Find' ich gut, find' ich schlecht." Dann setzt natürlich auch der eigene Bullshit-Detektor ein. Das ganze Buch ist voll von miserablen Textzeilen. Man schaut sich das jetzt an und denkt: Es kann nicht wahr sein, dass Du Papier vergeudet hast, um so einen dummen Satz aufzuschreiben. Aber ein paar gute waren eben auch dabei.“

Musikalisch ist das Album viel mehr Rock als der von Tomte gewohnte Indiepop. Alles auf der Platte wirkt riesengroß.

Uhlmann: „Tobias und ich haben das Album am Computer aufgenommen. Aber wir saßen da in einem Raum und schrien: "Rock'n'Roll!" - was ziemlich absurd aussieht, wenn zwei Typen Mitte 30 am Computer sitzen und "Rock'n'Roll!" schreien. Doch das war die Ära, die wir im Sinn hatten... Ich hoffe, man hört dem Album an, dass da zwei Jungs Mitte 30 Vergnügen hatten.“

Eine persönliche Entweder-Oder-Frage zum Schluss: Familie oder Freiheit?

Uhlmann: „Familie. Nicht so klassisch - aber ich habe so fünf, sechs, sieben Leute um mich herum, die ich wirklich als meine Familie bezeichnen würde. Es ist ein sehr schönes Gefühl, auf jemanden aufzupassen - und dass es Leute gibt, die auf einen aufpassen.“

Interview: Werner Herpell, dpa