Voll auf die Zwölf: Ein musikalischer Jahresrückblick
Bevor das Jahr um ist, noch schnell zwölf Namen — und warum sie wichtig waren.
Die Toten Hosen: Weil sie mit „Ballast der Republik“ selbst ihren Kritikern gezeigt haben: Erfolgreich ist, wer sich treu bleibt. Wer bei „Tage wie diese“ nicht mindestens einmal in diesem Jahr feuchte Augenwinkel hatte, leidet unter Gefühlskälte — oder ist eben kein Düsseldorfer.
Emeli Sandé: Weil sie den etablierten Stars mit ihren gefühlvollen Einlagen bei Eröffnungs- und Abschlussfeier der Olympischen Spiele in London glatt die Show stahl. Und weil ihr Album „Our Version Of Events“ ein weiterer Adrenalinschub für das retro-verkrustete Soul-Genre war.
Seeed: Weil fünf Jahre nach Peter Fox’ Übererfolg „Stadtaffe“ die Band weiter Musik macht, als hätte es den Alleingang nicht gegeben. Bling Bling!
Cro: Weil der YouTube-Star des Jahres 2011 es geschafft hat, 2012 der bekannteste deutsche Popstar zu werden, ohne auch nur einmal sein Gesicht zu zeigen. Wegen des Tricks mit der Pandamaske soll Carlo Weibel, so sein bürgerlicher Name, sogar die Echos im März geschwänzt haben. Ein Typ mit Maske habe den Rapper aus Stuttgart vertreten, geht das Gerücht.
Of Monsters And Men: Weil sie den Pop-Mythos Island weiter hochhalten. Gerade mal 300 000 Einwohner hat der Inselstaat, aber mehrere Hände voll international bekannter Musikstars. Der freundlich-verschrobene Sound dieser Band brachte den lange verloren geglaubten Lagerfeuer-Pop zurück in die Charts.
Santigold: Weil ihr wunderbar wummernder Krawallpop-Ohrwurm „Disparate Youth“ selbst als Hintergrund eines Werbespots für einen Mobilfunkanbieter nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat. Die US-Musikerin versteht ihr Handwerk.
Lana Del Rey: Weil sie ihr Image als chronisch gelangweilte Indie-Pop-Lolita konsequent durchzog. Als ihr Album „Born To Die“ im Januar herauskam, schien Del Rey dem Tod durch mediales Verheizen geweiht. Am Ende des Jahres stehen zweimal Platin und einmal Gold sowie die Erkenntnis, dass ein schlechter Gesangsauftritt (bei der US-Kultshow „Saturday Night Live“) nicht gleich eine Karriere beenden muss.
Wankelmut/The Magician: Weil es diesen beiden DJs zu verdanken ist, dass Songperlen wie Lykke Lis „I Follow Rivers“ (The Magician) und Asaf Avidans „Reckoning Song“ (Wankelmut), gekleidet in ein minimalistisches Dance-Gewand, den Weg in die breite Masse fanden.
Kraftklub: Weil bei den Chemnitzern mit den weißen Hemden und den roten Hosenträgern alles stimmt: einfallsreiche Texte, substanzielle Kompositionen, kompaktes Album, Songs mit Wiedererkennungswert, beneidenswerte Live-Qualitäten und humorvolle Distanz zum Musikgeschäft. Die werden uns auch in zehn Jahren noch ’was singen.
Deichkind: Weil „Bück dich hoch“ mit seiner Litanei an Pseudo-Motivationsparolen der geschickteste Kommentar zum schleichenden Verfall der sozialen Marktwirtschaft war — und ist. Dass „Leider geil“ zum geflügelten Wort für Bionade-Muttis und Abercrombie-Jünger wurde, vergessen wir da mal ganz schnell.
Carly Rae Jepsen: Weil sich weltweit kein Song mehr verkaufte als ihr akustisches Aufputschmittel „Call Me Maybe“. Dass dem Titel, wenn man genauer hinhört, eine geschickte Melodie zugrunde liegt, übersieht man angesichts der Dauerrotation und des kreuzdämlichen Videos gern.
Psy: Weil dank des quietschfidelen Sonnenbrillen-Knubbels nun auch der letzte Winkel der Welt weiß, dass Südkoreaner nicht gut tanzen können. Oder wollen. Oder beides!