Werbung für Multikulti: Die Band Baba Zula
Berlin (dpa) - So klingt Istanbul: Die Band Baba Zula transportiert den Sound und das Lebensgefühl der pulsierenden türkischen Millionenmetropole am Bosporus.
Das Trio kommt selbst aus dem Istanbuler Underground und gilt als Wegbereiter des „Oriental Dub“, einer Mischung aus traditionellen und modernen Klangfarben. Damit möchte die Band nun auch außerhalb der Türkei Fans finden, etwa in Deutschland, wo gerade das neue Album „Gecekondu“ erschienen ist.
Wolle man Baba Zula verstehen, sei vor allem eines wichtig, betont Band-Gründer und Sänger Murat Ertel im dpa-Interview: „Wir machen Musik, die aus Istanbul stammt. Dem Istanbul des 21. Jahrhunderts. Ich denke, das ist ganz entscheidend.“ Durch die Geschichte hindurch sei Istanbul eine Art Passage gewesen. Und habe stets als Tor sowohl nach Europa als auch nach Asien fungiert. Zwischen den 1950er und 1980er Jahren habe der offene Geist der Stadt gelitten, sagt Ertel. „Nun entwickelt sich Istanbul wieder zu einer kosmopolitischen Stadt.“ Mittendrin: der bunte Stil-Mix von Baba Zula, irgendwo zwischen orientalischer Tradition, psychedelischen, an die 1960er erinnernden Sounds und elektronischer Moderne.
Das Trio, das auf der aktuellen Platte von einigen Gastmusikern flankiert wird, stammt komplett aus der Millionenstadt: „Wir sind alle in Istanbul geboren“, betont Ertel, „was selten der Fall ist. Man sagt, dass nur 17 Prozent der Leute, die in Istanbul leben, auch dort geboren sind“. Herkunft und Verwurzelung sind wichtig für Baba Zula, was sich auch in der Instrumentierung niederschlägt. Da sind die modernen, elektronischen Klänge, da sind aber auch die traditionellen Instrumente: vor allem die Saz, ein sehr altes Saiteninstrument, wie Ertel erklärt: „Es geht zurück bis in die Zeit vor dem Islam.“ Oder die Darbuka, eine Trommel mit unter anderem mesopotamischen Wurzeln, ähnlich der afrikanischen Djembé.
Auf der Bühne indes kommt noch einiges mehr dazu. Da mutieren Baba Zula - der Name bedeutet etwa so viel wie „Großes Geheimnis“ - zum Gesamtkunstwerk: Die Konzerte, meint Ertel, erinnerten an „Rituale“; live verschmelzen Baba Zula Theater, visuelle Kunst, Dichtung und Bauchtanz mit Musik. Und das manchmal bis zu drei Stunden lang.
Ganz so wild aber geht's nicht zu auf dem neuen, dem sechsten Album von Baba Zula. Der heterogene Sound ist zwar höchst eingängig, zum Tanzen eignet er sich jedoch nur bedingt. Die Stücke auf „Gecekondu“ kommen eher entspannt, teils gar trance-artig daher. Es finden sich Beiträge mit und ohne Gesang, und unter den Gästen Musiker wie etwa der norwegische Jazzpianist Bugge Wesseltoft. „Das Album“, erklärt Ertel, „handelt von der Großstadt und von Istanbul“. Vor allem aber von den „Gecekondus“: Siedlungen am Rande der Legalität; Ertel spricht von „einer Art von Favela oder Slumhaus“. Immer häufiger würden die Viertel in Istanbul abgerissen und durch Hochhäuser ersetzt. „Wir mögen die Gecekondus sehr, wollen sie verteidigen und an sie erinnern.“
Seit 1996 existiert die Band, der ein oder andere Kinogänger dürfte Baba Zula von Fatih Akins Doku „Crossing The Bridge - The Sound Of Istanbul“ kennen. Brücken gen Deutschland möchte man nun bauen mit dem aktuellen, beim Frankfurter Label Essay Recordings veröffentlichen Album. Zumal man, betont Murat Ertel, ohnehin recht vertraut sei mit deutscher Kultur, „dem deutschen Expressionismus, Fassbinder oder Kraftwerk“. Außerdem glaube er, dass die Deutschen türkischer Kultur gegenüber sehr offen seien. „Unsere Musik ist eine gute Chance, um zusammenzukommen. Baba Zula sind ein lebendes Beispiel für den Erfolg von Multikulti.“