Passionsbilder in der modernen Kunst Der lange Schatten des Krieges
Düsseldorf. · Ob Picasso im spanischen Bürgerkrieg oder Dix, Levin und Wollheim in der Weimarer Republik: Bilder der Hoffnung sind es selten. Eine Betrachtung.
Pablo Picasso hatte einen gewaltigen Rahmen gespannt und war im Begriff, eine große Leinwand für den Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung mit seinem Lieblingsmotiv von Maler und Modell zu bestücken, als am 26. April 1937 die baskische Stadt Guernica von deutschen und italienischen Kampfflugzeugen vernichtet wurde. Picasso, der in Paris lebte, änderte sofort sein Motiv. Er nahm Anleihen bei der christlichen Passionsikonografie, holte sich Anregungen beim Isenheimer Altar von Matthias Grünewald und schuf mit dem Pieta-Motiv von Maria mit dem toten Kind eine Inkubal des 20. Jahrhunderts. Das Bild „Guernica“ wurde für ihn zur Auseinandersetzung mit dem unfassbaren Leid.
Die Angst der Amerikaner vor dem Picasso-Bild „Guernica“
Der protestantische Theologe und Philosoph Paul Tillich lobte Picassos Gemälde als „großes protestantisches Kunstwerk“. Es betone, dass der Mensch endlich sei. Er werde beherrscht von dämonischen Kräften der Selbstzerstörung. Picasso hatte die sprachlose Ohnmacht angesichts des Entsetzlichen durch seine Malerei überwunden. Und selbst die Mächtigsten der Welt fürchten diese Kraft des Bildes noch heute. Das wurde im Jahr 2003 deutlich, als ein Wandteppich mit dem Guernica-Motiv vor dem Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrats in New York mit einer blauen Fahne verhüllt werden musste, damit US-Außenminister Collin Powell die Zustimmung des Sicherheitsrats und der Weltöffentlichkeit zum Irakkrieg ungestört erreichen konnte.
Niemand fürchtete die Macht der Bilder so sehr wie Adolf Hitler, der selbst gern die Macht der Kunst besessen hätte. Dies wird in der aktuellen Ausstellung „Das junge Rheinland“ im Kunstpalast Düsseldorf deutlich. Sie präsentiert in ihrem letzten Teil und auf der Rückseite der letzten Stellwand, was aus der Euphorie der neuen Kunst in der Weimarer Republik geworden ist, als die Nationalsozialisten die Herrschaft antraten. Sie verursachten einen Flächenbrand in der deutschen Kultur. Ein sprechendes Beispiel ist das Werk „Hiob“ des jüdischen Künstlers Julo Levin.
Hiobs Körper wehrt sich vergeblich gegen die Verzweiflung
Levin interpretiert die biblische Gestalt als einen Mann auf allen Vieren, der unter den Schlägen des Schicksals zusammenbricht. Sein linker Arm stützt den Oberkörper vom Boden ab, das Gesäß wölbt sich empor, während die Brust leicht durchhängt. Der Kopf läuft parallel zum Boden, aber er kippt nicht nach unten. Es ist eine verzweifelte Haltung zwischen Kraft und Schwäche. Die Kraft nützte dem Maler jedoch nichts. Sein letztes Ölbild von 1939/40 zeigt seine trauernde Mutter Emma Levin, die ohne Hoffnung in die Zukunft blickt. Sie wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie starb. Ihre Cousinen nahmen Zyankali. Levin selbst kam im Mai 1943 nach Auschwitz, wo man ihn ermordete.
Gert Wollheim, der geniale Künstler in der rheinischen Szene zwischen den Weltkriegen, erlitt 1917 im Kampf an der Westfront einen Bauchschuss. In der aktuellen Schau ist die Zeichnung zu einem großartigen Ölgemälde zu sehen. Beide Motive zeigen das von Schmerz gezeichnete Gesicht.
Eine perfide Performance als Protest gegen den Vietnamkrieg
Das knochige Antlitz mit der spitzen Nase wirkt wie ein Selbstbildnis des Künstlers, und doch erinnert es zugleich an den Gekreuzigten auf dem Isenheimer Altar. Wollheim bezieht das biblische Thema auf sich selbst als Künstler. Er prägt den fatalen Satz vom Krieg als existenzieller wie notwendiger Erfahrung. So grauenhaft es klingen mag, die Todeserfahrung war für ihn eine Inspirationsquelle. Der Krieg sei eine schreckliche Sache, behauptete er. Aber man müsse als Realist dabei gewesen sein, um zu verstehen, was man darstellen muss.
Kunst ist immer auch ein Spiegelbild der Zeit, in der sie entsteht. Während des Vietnamkriegs lässt sich der amerikanische Künstler Chris Burden von einem Freund ein Geschoss vom Kaliber 22 durch seinen Oberarm schießen, eine fast schon absurde Performance der 1970er Jahre. Christian Keinstar, Schüler von Marcel Odenbach und Jürgen Klauke, schmolz vor zwei Jahren im Lehmbruck-Museum einen Kopf aus silberfarbigem Gallium ein, um ihn wieder als Kopf zu gießen. Dabei verglich er sich mit einem barocken Künstler, dem der Tod alltäglich war. Entstehung und Vergänglichkeit liegen nah beieinander.
Möglicherweise gehört die persönliche Betroffenheit dazu, um das Motiv von Kreuzigung und Auferstehung in der Bibel besser zu verstehen. Otto Dix absolvierte den Ersten Weltkrieg bei der Feldartillerie und als MG-Schütze in Frankreich und Russland, nachdem er sich freiwillig gemeldet hatte. Die Erlebnisse an der Front führten zu einer schweren Traumatisierung. Die Narbe am Hals blieb Zeit seines Lebens ein Erkennungszeichen. Erst zehn Jahre später befreite er sich von den Erinnerungen in seinem Kriegszyklus. All dies sind Bilder einer Kreuzigung, der keine Auferstehung folgt.
Die Hoffnung auf Auferstehung bleibt in der Moderne ausgespart
Unruhen, Ängste, Qualen und religiöse Gefühle kennzeichnen die Werke der Generation kurz vor oder im Zweiten Weltkrieg. Eine Heilsgeschichte ist damit jedoch nicht unbedingt verbunden. Tod folgt auf Tod folgt auf Tod. Hier hat der christliche Glaube keinen Raum. In dem Altarbild „Der Krieg“ von Otto Dix ist das Unheil in einem ewigen Kreislauf begriffen.
Die Hoffnung auf Auferstehung bleibt in der Kunst des 20. Jahrhunderts in der Regel ausgespart. Sie ist nicht nur bei den Künstlern eine schwer zu beantwortende Frage.