Beethovens Ballettmusik Prometheus mit Tanz und Poetry Slam in Düsseldorf
DÜSSELDORF · Düsseldorfer Tonhalle startet in die Saison mit Beethovens Ballettmusik. Prometheus ist als Figur mal „Depri“ und mal „Mani“.
Zu Saison-Beginn sitzt man in der Düsseldorfer Tonhalle noch im Schachbrettmuster, 740 Zuschauer (nach der Drei G-Regel, plus Mund-Nasen-Schutz auch am Platz), verteilt bis ganz oben in den Rang. Ab Oktober darf das Haus mit rund 1900 Plätzen voll besetzt sein. Egal, Hauptsache wieder Live-Konzerte. So bleiben die meisten geduldig und dankbar, wenn das erste Abokonzert (‚Sternzeichen‘) der neuen Spielzeit auch „normale“ Klassik-Konsumenten herausfordert.
Denn das Projekt „Prometheus dis.order“, mit dem die Symphoniker, noch in kleiner Besetzung, nun loslegen, verbindet Charles Ives‘ sphärische Musik mit einer neuen Fassung von Beethovens „Geschöpfe des Prometheus“. Bebildert durch drei Tänzer des Balletts am Rhein und digitale Farben und Figurinen-Spiele – projiziert auf eine Leinwand, die wie ein Fries über der Bühne schwebt.
Geplant war das alles für das Beethoven Jahr 2020
Die digital und literarisch aufgemotzte Inszenierung stammt von den Düsseldorfer High-Tech- und Licht-Künstlern Clemens und Nick Prokop. Die Brüder sind bundesweit bekannt für Regiekonzepte an Klassik fernen Orten, wie etwa dem Audi-Werk in Ingolstadt. In den Symphonikern und dem französischen Jung-Dirigenten Alexandre Bloch haben sie experimentierfreudige Partner gefunden.
Geplant war dieses sicherlich kostspiele Event aus Musik, Tanz, Bildender Digital-Kunst und Textfragmenten eigentlich für das Beethoven-Jahr 2020, fiel aber wegen Corona-Lockdown ins Wasser. Dass es jetzt uraufgeführt werden konnte, ist nur möglich, weil die Zuschüsse auch 2021 ausbezahlt wurden.
Von Beethovens Opus 45, der Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“, ist im Konzert-Alltag nur die Ouvertüre übriggeblieben, die folgende Ballettmusik kennen nur Spezialisten. In der griechischen Mythologie gehört Prometheus zur Götter-Familie und gilt als Feuerbringer. In jahrhundertelanger Überlieferung mutierte er zum Menschenfreund, der den Göttern das Feuer stiehlt und die Menschen damit zivilisieren will.
Den gescheiterten Prometheus deuten die Prokop-Brüder nun als Figur mit bipolaren Störungen, der permanent „Krieg im Kopf“ hat. Mal ist er manisch, mal depressiv. Gespalten in ‚Depri‘ und ‚Mani‘, wankt er zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Die beiden Facetten seien „das Dreamteam für jeden Weltuntergang“, heißt es in den Gedanken-Splittern aus der Feder von Clemens Prokop. Diese forsch runter geschriebenen Texte – sie erinnern an rhythmisch ratternde und jagende Poetry Slams – wehen in den Musikpausen dem Zuhörer um die Ohren. Sie kommen aus dem Off, sonor, manchmal mit Humor gesprochen von Stefan Wilkening.
Dramaturgisch zwingend sind die Tanzszenen nicht
Zur tänzerischen Musik von Beethoven gehören Tänzer, meinen die Prokops. Auf einer schmalen Stegbühne – zwischen Orchester und Leinwand mit flirrenden Farbenspielen – dehnen Marjolaine Laurendeau, Philip Handschin und Michael Foster ihre Oberkörper, rudern mit Armen, verharren in sich versunken, trippeln oder schreiten. Diese Gestalten in schwarzen Trikots bieten eine seltsame Mischung aus Bodenturnen und Eurythmie-Bewegungen, choreographiert von Virginia Segarra-Vidal. Mal schmiegsam und biegsam, dann bizarr und rätselhaft. Ganz schön zu sehen, dramaturgisch zwingend sind die Tanznummern aber nicht.
Die Symphoniker glänzen bei Beethoven – filigran und dynamisch musiziert. Genauso wie in der Introduktion mit Charles Ives‘ „The unanswered question“. Ein hauchzartes Pianissimo entwickeln die Streicher und legen einen durchsichtbaren Klang-Schleier über die Zuschauer, abrupt unterbrochen durch nörgelnde Blasinstrumente. Fazit: Ein Experiment, das dem Konzertleben neue Wege weisen will. Durch die Bilderflut und ausufernden Textpassagen rückt allerdings Beethoven in den Hintergrund.