Lebensziel Olympia: Vom Talent zum Spitzensportler
Berlin (dpa) - Kevin und Gleb hängen an Turnringen in der riesigen Halle. Sechs und sieben Jahre sind sie alt und gehören damit zu den jüngsten Turnern im Sportforum in Berlin - einer „Eliteschule des Sports“ vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Sie klettern an Seilen hoch, üben mit ihrem Trainer Spagat und Überschläge auf der Matte. „Männerturnen ist jetzt angesagt“, sagt der Sportkoordinator des Forums, Tom Goericke. Erfolge, wie die von Fabian Hambüchen und Marcel Nguyen bei Olympia, könnten einen echten Hype auslösen.
Auch außerhalb der Turnhalle warten wahre Sportlerparadiese. Von Boxen bis Bogenschießen wird auf der Anlage alles trainiert. Eine Gruppe rosa gekleideter Nachwuchs-Eiskunstläuferinnen trippelt mit pinken Springseilen über den düsteren Flur neben der Halle. „Meistens schulen wir in der ersten Klasse zwölf Eiskunstläufer ein, in der dritten etwa neun Turner. Die anderen Sportarten folgen oft erst so ab der siebten Klasse“, sagt Goericke. Einige Kinder gehen abends nach Hause, andere wohnen im Internat.
Nicht nur der frischgebackene Olympiasieger im Diskuswerfen Robert Harting ist hier zur Schule gegangen. „Britta Steffen, Sabine Lisicki, Andreas Wecker - die waren alle hier“, sagt Goericke.
Olympia ist auch das Ziel der Leichtathleten Matthias Wolff und Dennis Krüger. Der 17-jährige Matthias macht Zehnkampf, der 19 Jahre alte Dennis ist einer der wenigen 800-Meter-Läufer. „In Belastungswochen trainiere ich neunmal, immer so zwei bis drei Stunden“, erzählt Krüger.
Dass der deutsche Nachwuchs härter trainieren müsse, um mit führenden Spitzensportnationen mitzuhalten, finden die beiden nicht. „Es kommt auf die richtige Dosis an“, sagt Wolff. Krüger stimmt zu: „Man muss aufpassen, wie doll man trainiert.“ Das Leistungsumfeld, die Gruppendynamik spiele eine Rolle. „Ich trainiere immer allein mit meinem Trainer, wenn die Talente konzentrierter wären, wäre der Anreiz vielleicht schon noch größer.“
„Das ist die Gretchenfrage in unserem Leistungssportsystem“, sagt Steffen Jahn, der für die jugendlichen Turner verantwortlich ist. Bislang werden viele verschiedene Sportarten an den einzelnen Zentren unterrichtet. In anderen Ländern werden die Talente mehr nach Disziplinen aufgeteilt. Der Nachteil: Viele Kinder müssen schon sehr früh weg von zu Hause. Je nach Olympiastützpunkt vor Ort, haben die Eliteschule Schwerpunktsportarten.
An insgesamt 39 „Eliteschulen des Sports“ in Deutschland soll es Kindern ermöglicht werden, neben der Schule auf höchstem Niveau zu trainieren. Von den 153 nominierten Spitzensportlern, die bei den Winterspielen in Vancouver 2010 dabei waren, lernten dort 82 Athleten, heißt es auf der Internetseite des DOSB.
Ein Problem im deutschen Leistungssport ist laut Jahn die mangelnde Auswahl. Nur wenige Vereine und Eltern würden ihre Kinder in den Schulen vorstellen. So blieben viele Talente unentdeckt. Im „Nachwuchsleistungssport-Konzept“ des DOSB heißt es zudem, es gebe einen „erheblichen Mangel an qualifiziertem Trainer-Nachwuchs“ sowie „eine vergleichsweise gering ausgeprägte Kultur der Leistung als Wert.“ Der DOSB verfolge eher ein langfristiges Ziel, es gehe um das behutsame Aufbauen des Talents.
Krüger wohnt im Haus der Athleten, in dem die Kadersportler der Schule unterkommen. An seiner Zimmerwand hängen Fotos von Wettbewerben und Medaillen. Im Haus ist es ruhig, keine Spur von Klassenfahrt-Atmosphäre oder Partystimmung. „Wir leben halt diszipliniert“, sagt Krüger. Er fokussiere sich total auf die Olympischen Spiele in Rio. „Ich muss da eigentlich mit.“