Meinung Kramp-Karrenbauers Scheindebatte: Rückkehr zur Wehrpflicht ist gar nicht möglich

Meinung | Berlin · Viele Konservative haben die Abschaffung der Wehrpflicht niemals verwunden. Mit der Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht will AKK diese ansprechen, obwohl sie weiß, dass eine Rückkehr aus vielen Gründen nicht möglich ist.

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung und CDU-Bundesvorsitzende, spricht zu Beginn des Werkstattgesprächs der CDU über eine allgemeine Dienstpflicht.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Prinzipiell ist der Weg, den Annegret Kramp-Karrenbauer eingeschlagen hat, richtig: Sie versucht, wichtige Themen wie Klima und Migration breit in der CDU diskutieren zu lassen, an der Sache und den Ergebnissen orientiert. Auch gegen den Widerstand der Kanzlerin. Das schafft Akzeptanz. Doch nicht alles, worüber AKK beraten lässt, wird deshalb gleich vernünftiger. Übrigens wäre ein Werkstattgespräch zur K-Frage auch mal interessant. Das würde dann aber vermutlich nicht so verlaufen, wie Kramp-Karrenbauer sich das wünscht.

Mit der allgemeinen Dienstpflicht hat die CDU-Chefin tief in die Mottenkiste gegriffen. Zur Erinnerung: Die immer mal wieder diskutierte Idee war einer der ersten Vorschläge, die AKK als Generalsekretärin wieder unters Volk gestreut hat - um einen öffentlichkeitswirksamen Punkt zu machen. Damals noch gedacht vor allem für Flüchtlinge zur besseren Integration. Inzwischen ist die Diskussion von AKK breiter angelegt worden; jetzt geht es darum, dass alle, die die Schule verlassen, sich für ein Jahr bei der Bundeswehr, der Feuerwehr oder in der Pflege engagieren sollen. Das riecht nach schleichender Rückkehr der Wehrpflicht und des Zivildienstes, nur unter anderem Etikett. Auch wenn das in der Union so keiner sagen würde.

Die Wahrheit ist aber: Bis heute haben viele Konservative die Abschaffung der Wehrpflicht nicht verwunden, die Maßnahme wird sogar als ein Teil der Sozialdemokratisierung der CDU durch die Kanzlerin angesehen. Die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht soll wohl auch helfen, diese offene Wunde zu heilen. Tatsächlich umgesetzt wird die Idee aber nicht werden. Aus mehreren Gründen: Verfassungsrechtlich bleibt das Unterfangen mehr als zweifelhaft, das hat auch das Werkstattgespräch gezeigt. Im Parlament ist zudem in absehbarer Zeit überhaupt keine Mehrheit für das Vorhaben erkennbar. Schon gar nicht, wenn die Union nach der nächsten Bundestagswahl mit den Grünen koalieren sollte. Und zu guter Letzt: Mächtige CDU-Ministerpräsidenten haben bereits ein Veto eingelegt. AKK wird die Dienstpflicht für alle wieder einpacken müssen. Zumindest räumte sie am Donnerstag schon mal ein, einen Schnellschuss werde es nicht geben.

Auch inhaltlich spricht deutlich mehr dagegen als dafür: Die Infrastruktur zur Umsetzung gibt es nicht, weder bei der Bundeswehr noch bei karitativen Einrichtungen. Die Zahl der jungen Menschen, die sich bereits engagieren, ist hoch - weshalb es besser ist, die bereits bestehenden Angebote wie den Bundesfreiwilligendienst auszubauen und finanziell weiter zu stärken. Auch das würde den „Kitt“ der Gesellschaft stärken. Viel wichtiger ist aber, dass die Dienstpflicht ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit junger Menschen ist. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Mitmenschlichkeit und Engagement lassen sich zwar vermitteln. Aber beides kann man nicht durch staatliche Anmaßung verordnen.