Meinung Asylbewerber: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Beim Thema Abschiebungen gibt es zwischen fast allen Parteien in diesem Land eine große Einigkeit: Wer nicht aus einem Kriegsgebiet kommt oder politisch verfolgt wird, hat in Deutschland kein Bleiberecht.
Das heißt: Für Wirtschaftsflüchtlinge gibt es hierzulande keine Perspektive. Sie werden abgeschoben. Das klingt gut und entspricht den Wünschen einer großen Mehrheit in der Bevölkerung. Was in der Theorie des Asylrechts einfach scheint, erweist sich in der Wirklichkeit oft als sehr kompliziert.
Derzeit gibt es hierzulande weit mehr als 200 000 Ausreisepflichtige. Das sind jene Menschen, bei denen ein Verwaltungsgericht bereits geprüft hat, dass die Ablehnung ihres Asylantrags rechtens ist. Dennoch werden nur relativ wenige von ihnen tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurückgebracht. Zum Beispiel, weil es dort konkrete Gefahren für Leib und Leben gibt. Oder weil sie krank sind. Oder weil Papiere fehlen. Oder weil das Herkunftsland die Aufnahme verweigert. Alles handfeste rechtsstaatliche Gründe. Im Ergebnis liegt die Zahl der Asylbewerber, die zwangsweise oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, in diesem Jahr deutlich niedriger als 2016. Ein politisches Fiasko für Kanzlerin Angela Merkel, die vor einem Jahr eine „nationale Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden“ versprochen hatte. Zu den wenigen Bundesländern mit leicht erhöhten Zahlen gehört das seit Mai von Schwarz-Gelb regierte NRW. Damit mehr Menschen das Land verlassen, zahlt die Bundesregierung inzwischen sogar erhöhte Extra-Prämien.
Die geringe Zahl der Abschiebungen lässt ahnen, wie komplex die Asylklagen vor den Gerichten oft sind. Mehr als 320 000 Fälle warten auf Bearbeitung. Da die vollkommen überlasteten Verwaltungsrichter aber lediglich etwa 10 000 Fälle im Monat entscheiden, werden viele Klagen noch Jahre anhängig sein.
Wer in dieser Situation einfache und schnelle Lösungen in Aussicht stellt, sagt die Unwahrheit oder verrät die Werte des humanen Miteinanders, auf die wir mit Recht stolz sind. Die Menschen in Afrika werden nur dann in ihrer Heimat bleiben, wenn wir bereit sind, ihre Lebensbedingungen dort zu verbessern. Und eigentlich wäre die Integration von jährlich Hunderttausenden von Migranten in Europa (allein die EU hat weit mehr als 500 Millionen Einwohner) kein Problem — wenn sie gerecht verteilt würden. Aber diese Art von Solidarität gibt es nicht.