Meinung Bildung wird zum Wahlkampfthema: Kleinstaaterei in Reinkultur
Bildung ist ein Renner. Auf die Frage, was die Bundesbürger politisch am meisten umtreibt, landet das Bildungsthema regelmäßig ganz weit vorn. Kein Wunder, dass sich die Parteien der Sache derzeit besonders stark annehmen.
Schließlich ist Wahlkampf. Gerade erst hat die SPD mächtig Dampf gemacht und in den kommenden vier Jahren jeweils drei Milliarden Euro extra für Bildungsinvestitionen in Aussicht gestellt. Das Beispiel Kitas zeigt allerdings, dass die Probleme nicht auf Knopfdruck zu lösen sind und der Fortschritt auch seine Kehrseiten hat. Mit Masse allein ist es nicht getan. Es geht auch um Klasse, um Qualität.
Bisher galten die neuen Bundesländer stets als leuchtendes Vorbild, wenn die Rede auf die öffentliche Betreuung kam. Denn der Versorgungsgrad mit Plätzen ist dort viel höher. Doch muss sich zwischen Rügen und Fichtelberg eine Erzieherin um deutlich mehr Kinder kümmern als im Westen der Republik. Im Klartext: Der Wohnort entscheidet maßgeblich mit darüber, ob die frühkindliche Bildung qualitativ gelingt oder eher nicht. Schon das Erlernen der Sprache, das belegen Studien, funktioniert umso besser, je kleiner die Gruppen bei den Jüngsten sind. Oder anders gesagt: Je weniger Zeit eine Fachkraft hat, desto geringer die Chance auf individuelle Förderung eines Kindes.
Zum Teil erklärt sich das Problem daraus, dass in den neuen Ländern deutlich mehr Kinder eine Krippe oder Kita besuchen als in den alten. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass die festgelegten Betreuungsschlüssel im Kita-Bereich von Bundesland zu Bundesland stark variieren. Was in dem einen noch als „kindgerecht“ durchgeht, gilt in dem anderen als mangelhaft. Der allgemeine Wunsch nach gleichen Bildungschancen muss daher schon im Ansatz stecken bleiben. Die Misere ist systembedingt.
Lösen ließe sich das Problem durch einen bundesweit einheitlichen Betreuungsschlüssel. In letzter Konsequenz müsste auch dafür das „Kooperationsverbot“ zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich fallen. Ganz so, wie es SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz jetzt ebenfalls fordert. Wer sich an das politische Tauziehen um die jüngste Änderung des Grundgesetzes erinnert, nur um dem Bund die Möglichkeit zu eröffnen, den Kommunen Geld für die Schulsanierung zu geben, der muss am Gelingen des Schulz-Vorstoßes allerdings Zweifel haben. Zumindest die unionsregierten Länder halten an ihren Bildungskompetenzen eisern fest. Das ist Kleinstaaterei in Reinkultur.
Allerdings relativieren sich auch die von der SPD versprochenen Extra-Milliarden erheblich, wenn man bedenkt, dass allein für einen ausreichenden Betreuungsschlüssel in den Krippen und Kitas pro Jahr fast fünf Milliarden Euro zusätzlich aufgewendet werden müssten. Die von den Genossen propagierte, rasche Einführung der Gebührenfreiheit für die Kleinkinderbetreuung klingt sicher populär. Aber wirklich vernünftig ist sie unter diesen Umständen nicht. Auch das Geld der Eltern, natürlich sozial gestaffelt, wird weiter dringend gebraucht.