Meinung Der NSU-Prozess und die Konsequenzen: Bewährungsprobe bestanden
Auch wenn die Plädoyers noch einmal verschoben wurden, der NSU-Prozess geht langsam aber sicher in die Schlussrunde. Viele Nerven hat das Verfahren gekostet, gestern hat sich das erneut gezeigt. Es war eine Qual für die Angehörigen der Mordopfer.
Denn die Hauptangeklagte Beate Zschäpe hat außer ein paar dünnen und reinwaschenden Erklärungen nichts Erhellendes zu den Hintergründen der Mordserie beigetragen. Warum zum Beispiel wer Opfer wurde, und welche Unterstützung das Terror-Trio von wem erhielt. Die Angehörigen werden am Ende, wenn im Herbst das Urteil gesprochen wird, mit vielen Ungewissheiten weiterleben müssen. Ganz zu schweigen davon, dass sie womöglich enttäuscht sein werden von den gegen Zschäpe und ihre Mitangeklagten verhängten Strafen. Schließlich handelt es sich um einen reinen Indizienprozess. Aber das bleibt abzuwarten.
Nichtsdestotrotz, bei aller quälender Länge hat der Prozess in den letzten vier Jahren belegt: Der Rechtsstaat wehrt sich sehr akribisch gegen seine Feinde — und auch gegen die Feinde der Menschen, die in diesem Land wohnen und zu Deutschland gehören. Denn der NSU hat augenscheinlich wahllos Mitbürger ermordet, die integriert waren. Nur weil sie einen Migrationshintergrund hatten. Beim Nagelbombenanschlag in Köln hätte es auch jeden anderen treffen können. Insofern sind die NSU-Taten auch ein Anschlag auf die Gesellschaft und ihr Zusammenleben insgesamt gewesen.
Das Gericht hat daher gut daran getan, trotz der vielen Tricks der Anwälte und trotz des Zerwürfnisses innerhalb der Verteidigung von Beate Zschäpe nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, die Dimension der Taten nicht ernst zu nehmen. Oder um es so zu sagen: Nach all den Fehlern, die behördlicherseits zuvor rund um den NSU und ihr jahrelanges Agieren und Leben im Untergrund gemacht worden sind, hat die Justiz gezeigt, dass sich der Staat dann doch nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Dieser Prozess war eine Bewährungsprobe. Im Großen und Ganzen ist sie bestanden worden. Daran ändert auch die Verschiebung der Plädoyers nichts.
Eine indirekte Erkenntnis der bisher über 370 Gerichtstage ist, dass der Rechtsterrorismus in Deutschland auch weiterhin einen Nährboden hat und Terrororganisationen wie der NSU sich durchaus wieder bilden können. Wer am vergangenen Wochenende nach Thüringen geschaut hat, wo rund 6000 Rechte zu einem Neonazi-Rockkonzert zusammenkamen, der kann erahnen, wie groß diese Gefahr ist. Dass sie besteht, sagen alle Kenner der Szene.
Das haben neben vielen anderen verstörenden Erkenntnissen auch die diversen Untersuchungsausschüsse in den Ländern und im Bund ergeben. Ohne Unterstützer hätte der NSU nicht morden können. Der Prozess hat dieses Netzwerk freilich nicht wesentlich aufdecken können. Die Behörden müssen deshalb umso mehr gewarnt sein und wachsam bleiben. Das ist ihre Lehre aus dem Verfahren.
Keinesfalls darf sich das große Versagen der Ermittler auf allen Ebenen, das es ja rund um die Morde des NSU gegeben hat, wiederholen. Auch wenn der Prozess jetzt absehbar in wenigen Monaten endet, erledigt hat sich das Thema Rechtsterrorismus in Deutschland wohl noch lange nicht.