Meinung Der Terror trifft die Türkei

Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken ließen gestern nicht lange auf sich warten. Wenige Stunden nach dem Anschlag auf einen Polizeibus in Istanbul mit elf Toten und Dutzenden Verletzten riefen nationalistische Türken über den Kurznachrichtendienst Twitter zum Massenmord an Kurden auf.

Foto: Judith Michaelis

Für die Hardliner unter der Halbmondflagge stand schnell fest, wer hinter dem vorläufig letzten Attentat einer ganzen Serie steckt — seit dem vergangenen Juli starben bei zehn Anschlägen in den türkischen Metropolen Ankara und Istanbul sowie den Kurdengebieten im Südosten des Landes an die 240 Menschen. Die PKK und verbündete Organisationen wie die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) gelten neben Kommandos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als Drahtzieher.

Art und Ausführung lassen bei der gestrigen Explosion tatsächlich auf die Urheberschaft kurdischer Guerillas schließen. Zwar wurde auch gestern wieder umgehend eine Nachrichtensperre verhängt, an prominenter Stelle türkische Streitkräfte oder Polizeiangehörige zu attackieren, macht die TAK aber zu Hauptverdächtigen. Sie bekannte sich zu zwei Bombenanschlägen in Ankara nach ähnlichem Muster, bei denen im Frühjahr 43 Menschen ums Leben kamen. Der IS hat bis jetzt keine Attacken verübt, die direkt auf den türkschen Staat zielten. Seine Terroraktionen galten bisher Touristen — im Januar starben in Istanbul zwölf Deutsche — oder prokurdischen Gruppen, wie bei den verheerenden Explosionen von Suruc und Ankara.

Die Folgen treffen das Land so oder so ins Mark. Seit Präsident Recep Tayyip Erdogan im vorigen Sommer der PKK und allen anderen, die er für Terroristen hält, den Krieg erklärt hat, kommt die Türkei innenpolitisch nicht mehr zu Ruhe. Hunderte sind bei den Belagerungen und Ausgangssperren im Südosten getötet worden. Zudem brechen die Buchungszahlen in Folge des Terrors dramatisch ein — auch in den bisher friedlichen Touristengebieten in der Westtürkei. Das Auswärtige Amt rät dringend zur Vorsicht.