Meinung Die AfD: Etabliert und doch nicht reif

Die AfD existiert genau seit vier Jahren, und man kann nach ihrem Parteitag in Köln jetzt eine Zwischenbilanz ziehen. Das erste: Sie ist trotz der Abspaltung von Parteigründer Bernd Lucke und seiner Anhänger eine etablierte politische Kraft geworden.

Sie hat 28.000 Mitglieder, sitzt in elf Landtagen, hat ein Vollprogramm, ist professionell organisiert. Und sie besetzt eine freie politische Ecke, die weit mehr als eine Nische ist: Die Renationalisierung der Politik — gegenüber Flüchtlingen, aber auch gegenüber den Partnern in Europa. Dazu kommen die Ablehnung des Islam und die Orientierung auf eine konservative deutsche Leitkultur. Das sind Langzeitthemen, die auch ohne aktuelle Flüchtlingsströme funktionieren.

Deutsche zuerst und Deutschland zuerst. Damit wird die AfD, so wie der Lauf der Welt derzeit ist, zweifellos in den Bundestag einziehen. Die AfD ist trotzdem überhaupt noch nicht gefestigt. So gibt es eine deutliche Kluft zwischen Basis und Führung. Es existiert inzwischen eine mittlere Funktionärsschicht, Leute, die schon in Parlamenten sitzen oder darauf hoffen. Sie blicken auf ihre Wahlchancen, sie wollen kooperations- und koalitionsfähig sein, um dereinst mitzuregieren. Viele stammen aus etablierten Parteien.

Und es gibt politische Führer, die sich wie Gründer einer viel zu schnell gewachsenen Firma verhalten: Diadochenkämpfe gegeneinander, Intrigen. Frauke Petry, die das am Ungeniertesten betreibt und ihre Argumente dafür geradezu beliebig wechselt, ist in Köln ausgebremst worden. Die anderen aber sind noch da. Das Potential zur Selbstzerstörung, das schon andere Rechtsparteien gestoppt hat, ist nach wie vor groß. Vielleicht, weil das Wachstum so schnell verläuft, bleiben zudem wichtige Entscheidungen offen, mit Rücksicht auf die Bundestagswahl in dieser Phase ohnehin. Das Wahlprogramm ist außerhalb der AfD-Herzthemen Asyl und Europa ein Sammelsurium. Manches ist zufälligen Mehrheiten geschuldet. Würde es die Wähler im Detail interessieren, auch bei Familien-, Sozial- und Steuerpolitik, viele wären abgeschreckt. Gefährlicher für die Partei aber ist, dass sich die Deutsch-Nationalen weiter in ihr tummeln dürfen.

Diesen Bruch schiebt die AfD immer wieder hinaus. Sie glaubt, diese Gruppe zu benötigen und lässt sie gewähren. Mit Ewiggestrigen, die in Sprache und Denken immer noch an den tausend Jahren hängen, ist jedoch keine „moderne“ rechte Kraft zu etablieren. Marine Le Pen hat das schon für Frankreich erkannt; für Deutschland gilt das erst recht. Doch in Köln ist man in dieser Hinsicht keinen Schritt weiter gekommen, im Gegenteil. So bleibt die Feststellung nach vier Jahren, dass die AfD zwar keine rechtsextreme Partei ist. Das wäre ein falsches Etikett. Aber zur bürgerlich-rechten Partei gereift ist sie auch noch lange nicht.