Meinung Die Kanzlerin führt die CDU jetzt auch

Von ihren Kritikern ist Angela Merkel lange vorgehalten worden, es sei ihr letztlich egal, ob sie Vorsitzende der CDU oder irgendeiner anderen Partei sei. Hauptsache, Kanzlerin. Unter ihrem Vorsitz räumte die CDU Positionen und Glaubensbekenntnisse, die einst zum Kern der Partei und ihrer Befindlichkeiten gehörten: Verzicht auf die Wehrpflicht, Ausstieg aus der Atomenergie, weitgehende Gleichstellung von homosexuellen Lebensgemeinschaften mit der Ehe, die Anerkenntnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist — das alles hat mit der CDU aus der Ära Kohl fast nichts mehr zu tun, und aus Sicht des konservativen Teils der Parteibasis ist das durchaus ein Problem.

Ulli Tückmantel.

Auf dem Kölner Parteitag 2014 nahm Merkel bereits einen ersten Anlauf, die CDU auf einen künftigen Lagerwahlkampf einzustimmen. Seitdem ist viel geschehen, und es hat die Bundeskanzlerin offenbar verändert. Neben ihr ausgesprochenes Talent zur unideologischen Aufgaben-Abarbeitung ist inzwischen auch das getreten, im entscheidenden Moment Haltung zu zeigen — und diese Haltung zum Kompass zu machen.

In der Flüchtlingsfrage erlebt die CDU in den 15 Jahren, die Angela Merkel inzwischen Vorsitzende der Partei ist, zum ersten Mal, dass sie Widersprüche und Differenzen nicht einfach wegmoderiert (und zur Not die Störenfriede gleich mit), sondern die Partei tatsächlich führt und ihr Positionen vorgibt. In Karlsruhe hat Angela Merkel am Montag die vielleicht wichtigste Rede in ihrer gesamten Zeit als Vorsitzende gehalten und sich mit ihrem „Wir schaffen das“ in die Geschichte der CDU eingeschrieben. Diese reicht nun vom Bekenntnis zur Westintegration über die soziale Marktwirtschaft und die deutsche Einigung in Frieden und Freiheit zu einer konsequent europäischen Perspektive.

Adenauers Verständnis von der Einheit Europas sei auch ihr Verständnis: „Ich fühle mich in der Pflicht.“ Bei den Formulierungs-Kompromissen, die Merkel zur „Karlsruher Erklärung“ eingegangen ist, kann niemandem verborgen geblieben sein, dass sie von ihrer Haltung keinen Meter abgewichen ist. Dass von den knapp 1000 Delegierten nicht einmal ein Dutzend die Gefolgschaft verweigerte, wird die Diskussionen an der Basis nicht beenden. Aber mit dem Parteitagsbeschluss am Montag ist klar, wofür nicht nur Angela Merkel, sondern wofür die CDU steht.