Die Kirche braucht klare Fingerzeige
Die Erwartungen an den Papst-Besuch sind groß
Da kann Benedikt selbst noch so sehr abwiegeln und bremsen, sein Deutschland-Besuch wird eine große Show, ein Massen-Medien-Event erster Güte. Und das ist gar nicht schlimm. Denn warum nicht sollen die Menschen auf Straßen, Plätze oder ins Olympiastadion strömen, um den ersten deutschen Papst seit fast 500 Jahren in seiner Heimat zu erleben? Oder in den Bundestag, wo man schon kleinkariert gestrickt sein muss, um seine Rede zu boykottieren.
Wichtiger für die deutschen Christen freilich ist allemal, was Benedikt sagen wird. Er wird ja viel sagen, sehr viel, mindestens 17 Reden umfasst sein Programm. Aber trifft er auch den Nerv, die Nöte und Ängste der Menschen, zumal seiner Kirche? Da darf man skeptisch sein, zu oft schon haben sich auf ihn projizierte Hoffnungen in Richtung Aufbruch als illusorisch entpuppt.
Dabei wären gerade in der deutschen Kirche klare Fingerzeige angesagt. Nicht nur wegen der Missbrauchsfälle, der stetig wachsenden Zahl von Austritten und der stetig sinkenden Zahl der Gottesdienstbesucher. Oder wegen des eklatanten Priestermangels. Sondern, weil die deutsche Kirche zudem — ganz unkatholisch — besonders zerrissen ist zwischen fortschrittlichen Reformern und konservativen Hardlinern. Immer unversöhnlicher stehen die sich vor allem in der Bischofskonferenz gegenüber — wobei die Konservativen um Meisner, Müller und neuerdings Woelki und Overbeck inzwischen Oberwasser haben. Und es scheint, dass dies durchaus im Sinne von Benedikt XVI. ist.
Natürlich darf die Kirche nicht leichthin ihre Tradition(en) aufgeben oder sich gar anbiedern an den Zeitgeist. Aber erst recht nicht darf sie sich sektiererisch in eine Dogmen-Trutzburg zurückziehen, kurzum: von der realen Welt mit ihren Menschen abwenden. Genau das jedoch fürchten viele Katholiken in den Gemeinden.
Und dann ist da noch die Ökumene, Benedikt selbst hat sie als Eckpunkt seines Besuches bezeichnet. Aber befeuert er sie auch? Kann er sich — gerade in Erfurt — überwinden und Martin Luther rehabilitieren? Gibt er ein versöhnendes Abendmahl-Signal an gemischt-konfessionelle Ehepaare? Schön wär’s. Allzu große Hoffnungen indes sollte sich da keiner machen.