Papstbesuch: Eine Frage des Anstands
Die Proteste einiger Abgeordneter gegen den Papst sind peinlich
Ja, in Deutschland sind Staat und Kirche strikt voneinander getrennt. Das hat gute Gründe, ist über Generationen eingeübt und funktioniert reibungslos. Daran kann auch ein deutscher Papst nichts ändern. Es gibt auch überhaupt keine Anzeichen dafür, dass der ehemalige Kardinal Josef Ratzinger das nicht will.
Umso erstaunlicher sind die Reaktionen von Abgeordneten der SPD, der Grünen und vor allem der Linken auf die geplante Rede von Benedikt XVI. im Bundestag.
Dass gut 100 Mandatsträger das Parlament verlassen wollen, wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche spricht, ist ein Affront, eine Unverschämtheit und des Deutschen Bundestags nicht würdig.
Da ist auch die im Grundgesetz festgeschriebene Trennung von Staat und Kirche keine Begründung, weshalb ein Religionsvertreter am Rednerpult im Parlament nichts zu suchen habe.
Anders verhält es sich mit den Protesten, die in Berlin, Erfurt und Freiburg zu erwarten sind, wenn der Papst diese Städte besucht. Einige Positionen des Vatikans zu gesellschaftlichen Fragen sind zweifelsohne diskussionswürdig.
Homosexualität, Zölibat, Frauen in der Kirche — die Standpunkte des Pontifex sind nicht unbedingt mehrheitsfähig. Aus diesem Grund muss auch Benedikt XVI. es sich gefallen lassen, wenn Bürger am Straßenrand bekunden, dass sie dem Vatikan zum Beispiel in diesen Fragen nicht folgen wollen.
An dieser Stelle unterscheiden sich die politischen Würdenträger in einem demokratischen System aber von ihren Wählern. Es ist nachgerade die Pflicht von politischen Entscheidern, sich auch die Aussagen jener anzuhören, die anderer Überzeugung sind.
Dass jeder Gehör finden kann, ist eines der hervorstechenden und notwendigen Merkmale einer freien Gesellschaft. Dabei darf es keine Rolle spielen, welche Funktion jemand ausübt.
Bei all dem Gewese der Abgeordneten ganz links von der Mitte um den Besuch von Papst Benedikt XVI. drängt sich im Übrigen die Frage auf, wie sie es gehalten hätten, wenn ein Vertreter des Islam, des Judentums oder der Dalai Lama höchstselbst vor dem Bundestag sprechen wollte.
Es muss wirklich nicht jeder im Parlament die Ansichten des Papstes teilen, aber ihm dort wenigstens zuzuhören, ist eine Frage des Anstands.