Meinung Die SPD zieht erhobenen Hauptes in einen fast aussichtslosen Kampf

Es kommen jetzt die Neunmalklugen, die genau wissen, was die SPD machen müsste. Leider hat jeder der Klugen einen anderen Rat. Die Bildung müsse das Thema sein, sagen die einen. Da liege so viel im Argen, und das stimmt ja auch.

Einen großen politischen Wurf für mehr Gerechtigkeit müsse die SPD wagen, verlangen die anderen, auch Steuergerechtigkeit. Auch da ist was dran. Und wie wäre es mit einem durchgreifenden Investitionsprogramm für Pflege, Familien, Schulen, bezahlbare Wohnungen? Andere Kluge sehen die Schuld beim Kanzlerkandidaten. Martin Schulz sei vielleicht doch der Falsche, vielleicht wäre Gabriel doch besser gewesen. Klar für Rot-Rot-Grün müsse die SPD auftreten, meinen welche. Gerade nicht, entgegnen andere. Das habe doch die Saarlandwahl gezeigt.

Hätte, hätte, Fahrradkette. Die SPD sollte sich nicht kirre machen lassen. Sie ist nicht schlecht aufgestellt. Schon die Kandidatenkür verlief, von kleinen Unebenheiten abgesehen, gut. Viel besser jedenfalls als bei Merkel und der Union. Das Wahlprogramm ist überzeugend sozial und zugleich so solide, das es eine breite Mitte ansprechen kann. Kandidat und Programm passen zusammen. Vor allem aber: Die Partei wirkt geschlossen und motiviert wie lange nicht mehr.

Und trotzdem nur 23 Prozent, am Ende vielleicht 25 Prozent wenn es gut läuft. Die Erklärung dafür hat nichts mit der aktuellen Wahlkampforganisation zu tun. Das Erste: Die eigenen Milieus sind zerfallen, die „kleinen Leute“ wählen nicht mehr automatisch sozialdemokratisch, sondern alles Mögliche. Und am häufigsten gar nicht. Das Zweite: im linken politischen Lager gibt es anders als auf der rechten Seite eine Zersplitterung in mittlerweile drei Parteien, SPD, Grüne und Linke, die den Sozialdemokraten die Chance nimmt, stärkste Partei zu werden, was in der Regel heißt: Kanzlerpartei. Die Zuspitzung „Merkel oder ich“ gelingt Schulz nicht. Aber selbst wenn: Die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes ist nicht so, dass ein Wechsel an der Spitze drängen würde. Trotz aller Probleme. Die Leute haben mehrheitlich entweder das Gefühl, dass es mit Angela Merkel gut läuft, oder aber, dass es mit einem anderen Kanzler nicht besser wäre.

Die SPD kann nur erhobenen Hauptes durch diese Phase gehen und darauf setzen, dass die Dinge irgendwann wieder in Bewegung kommen. Natürlich hofft sie, dass das noch vor der Wahl sein wird. Das ist aufgrund externer Ereignisse zwar möglich, aber nicht eben wahrscheinlich. Dass sich der Wind aber spätestens dann drehen wird, wenn Merkel abtritt und dann eine kopflose, regelrecht entkernte Union hinterlässt, oder wenn klar wird, dass ein ideenarmes „Weiter so“ nicht reicht, um die Zukunft des Landes zu sichern, damit ist zu rechnen. Dafür sind die Sozialdemokraten gut vorbereitet.