Meinung Ein überfälliges Strafgesetz gegen schamlose Gaffer

Und das ist bisher erlaubt? Es passiert nicht oft, dass man von einem Gesetzesplan hört und sich wundert, dass dieser nicht längst umgesetzt ist. Die von Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza angekündigte Gesetzesinitiative — Verbot des Fotografierens verstorbener Unfallopfer — ist überfällig.

Foto: Sergej Lepke

Die Ministerin, die noch bis vor Kurzem als Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf IS-Terroristen und auch den Attentäter der Kölner Oberbürgermeisterin verurteilte, hat Recht. Es muss verhindert werden, dass Gaffer am Unfallort verstorbene Verkehrsteilnehmer mit dem Smartphone fotografieren oder filmen und diese Aufnahmen anschließend im Internet verbreiten.

Zwar gibt es schon jetzt eine Strafvorschrift, versteckt im „Gesetz über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und Photographie“. Diese verbietet das Verbreiten von Bildern eines Verstorbenen ohne Einwilligung der Angehörigen. Doch unter Strafe gestellt ist hier eben nur das Verbreiten, nicht schon die Aufnahme. Andererseits bezieht sich die Regelung im Strafgesetzbuch, die bereits die Aufnahme von Bildern von Menschen in höchstpersönlichen Lebenssituationen verbietet, nur auf lebende Personen.

Doch wir leben in Zeiten, in denen alle Schamgrenzen fallen. In denen buchstäblich über Leichen gegangen wird. Beim Zurschaustellen des Leids anderer im Internet — nur um damit die Anerkennung Gleichgesinnter zu erlangen. Gemessen in Klicks und Likes.

Justiz und Sicherheitskräfte sind da auf eine erweiterte Strafnorm angewiesen. Denn die Polizei kann in dem Moment, in dem ein Gaffer ein verstorbenes Unfallopfer fotografiert, noch gar nicht nachweisen, dass dahinter die Absicht steckt, die Aufnahme später zu veröffentlichen. Und nur das wäre bisher strafbar. Um diesen Zeitgenossen das Handwerk zu legen, muss die Strafbarkeit vorverlegt werden — so kann schon direkt die Tat verhindert werden. Effektiver Opferschutz ist nur in diesem Moment möglich. Dann kann der Gaffer auch durch eine Beschlagnahme der Tatwaffe, des Smartphone also, gestoppt werden.

Spricht sich diese Vorschrift herum, die ja jetzt schon für das Fotografieren überlebender Unfallopfer gilt, dann erübrigen sich hoffentlich auch aufwendige Maßnahmen der Unfallhelfer. Diese haben Wichtigeres zu tun, als mit mobilen Schutzwänden eine Unfallstelle gegen Blicke und Fotos rücksichtsloser Gaffer zu schützen.