Meinung Energiewende ist erreicht, Klimawende bleibt das Ziel
Während Europa in den vergangenen Wochen vor allem damit beschäftigt war, seine Handlungsfähigkeit für ein Handelsabkommen mit Kanada zurückzugewinnen, verkündete die Internationale Energieagentur (IEA) in Singapur eine weitgehend unbeachtete Sensation in Sachen Energiewende: Entgegen früherer Prognosen wächst weltweit der Ausbau der erneuerbaren Energien viel schneller als bislang erwartet — und hat bereits 2015 einen globalen Wendepunkt erreicht.
Laut IEA war die weltweite Leistung aller Kraftwerke, die auf erneuerbaren Energiequellen basieren, 2015 erstmals größer als die weltweite Leistung von Kohlekraftwerken. Und: Mehr als die Hälfte der 2015 neu gebauten Kraftwerke zur Stromerzeugung nutzt ebenfalls erneuerbare Energien, vor allem Solar- und Windkraft. Demnach wurden 2015 weltweit pro Tag mehr als 500 000 Solar-Panel errichtet. Allein in China, so die IEA, seien statistisch stündlich zwei Windturbinen errichtet worden.
Die Nachricht bedeutet nicht weniger als das Ende des Kohlezeitalters. Die Energiewende ist kein Wunschdenken mehr, sondern Wirklichkeit geworden. Und sie wird das Ende zerstörerischer Kohlegewinnung wie im rheinischen Tagebau Garzweiler weiter beschleunigen. Die IEA geht nun davon aus, dass der Anteil erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung weltweit von 23 Prozent 2015 auf 28 Prozent im Jahr 2021 ansteigen wird. Das ist der wirklich gute Teil der Nachricht. Der schlechte Teil der Nachricht lautet: Es wird nicht ausreichen, um die Welt-Klimaziele zu erreichen.
Das hat viele Gründe: Der Boom der erneuerbaren Energie führt (bislang) lediglich in Europa und den USA zu einem geringeren Einsatz von Kohle, Gas und Öl. In Asien, vor allem in China, das allein rund 40 Prozent des weltweiten Wachstums der erneuerbaren Energien stemmt, dient der Boom vor allem der Deckung des weiter rasant wachsenden Strombedarfs. Angesichts der tödlichen Luftverschmutzung kann selbst das autoritäre China nicht weiter auf Kohle setzen.
Die IEA, die nicht gerade zur Umwelt-Lobby gehört, mahnt vor allem in den Bereichen Heizen und Verkehr einen schnelleren Umstieg an. Dem wird sich auch keine künftige Bundesregierung verschließen und der Automobil-Industrie weiter mit dem Diesel-Handschuh das Händchen halten können. Diese Zeit läuft ab.