Meinung Oettinger: Der schwäbische Witzbold
Günther H. Oettinger redet mitunter schneller als er denkt, und er denkt schon verdammt schnell. Der 63jährige EU-Kommissar hat die Neigung, die Dinge zuzuspitzen, und zwar gerne so, dass die Leute lachen.
Meist scherzt er zu Lasten anderer Leute. Er ist zudem ein kleiner Macho und außerdem noch ein Macher, Typ neoliberaler Wirtschaftslobbyist. Das ist nun in einer Rede vor Hamburger Wirtschaftsleuten alles zusammengekommen. Oettinger beklagte darin den mangelnden Reformeifer, das durchzieht seine Haltung seit langem. Aber diesmal komplett im Stil eines Karnevalisten.
Er selbst wird zufrieden sein, die Leute haben gelacht. Für einen EU-Kommissar, der international ernst genommen werden will, war es eher ein peinlicher Auftritt. Aber ein Rücktrittsgrund ist er nicht, auch nicht sein Hinweis auf die seiner Ansicht nach falsche deutsche politische Tagesordnung, auf der die Homoehe fast wichtiger sei, als die Wettbewerbsfähigkeit. Oder seine Warnung vor den "Schlitzaugen", den Chinesen, die wirtschaftlich und technologisch nicht schliefen. Wer empfindlich ist, mag das als homophob, rassistisch und frauenfeindlich bewerten, doch ist Oettinger all das in Wirklichkeit absolut nicht. Es ist nur ein typischer Vertreter einer Politikergeneration, die gerne mal Schenkelklopfer-Sprüche ablässt, wenn sie sich unter sich wähnt. Gerhard Schröder, dem Oettinger bei der Gelegenheit ebenfalls böse einschenkte ("Hat viel Zeit, die Frau ist weg"), war übrigens ganz ähnlich.
Deutschland stellt wie jedes Land nur einen einzigen EU-Kommissar. Ob dieser schwäbische Witzbold eine gute Wahl war, muss Angela Merkel wissen, die ihn 2009 aussuchte und ihm 2014 noch einmal eine zweite Amtszeit bescherte, die 2019 endet. Einstweilen sollte sie ihm mal gehörig den Kopf waschen.