Fußball-WM in Brasilien: Schweigen und Beschwichtigung

Der Fifa droht in Brasilien ein Pulverfass

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: Judith Michaelis

Es ist etablierter Brauch vor großen Sportereignissen, dass Wochen zuvor die Botschaften durchgängig schlechte sind: unfertige Stadien, katastrophale Infrastruktur, sich formierende Gegner, Gewalt und Verbrechen. Wo Olympia und Fußball-Weltmeisterschaft — und das sind die wirklich weltumspannenden Großprojekte des Sports — auch hinkommen, scheinen die Probleme längst auf der Straße zu liegen — oder sich zu entwickeln.

Mancher Beobachter vor Ort wird nach der in sieben Wochen beginnenden Fußball-WM in Brasilien Rückschau auf zu pessimistische Prognosen halten. Motto: alles ganz anders, alles kein Problem. Das kann so sein. Muss es aber nicht. Und die Fifa wäre schlecht beraten, wenn sie es für gottgegeben hielte, weil es unter dem Mantel der Fußball-Begeisterung meistens gut gegangen ist.

Warum? Weil in Brasilien — noch ganz anders als etwa in Südafrika 2010 — das Großereignis vor Ort als eines identifiziert ist, mit dem sich ansehnlich auf Probleme aufmerksam machen lässt. Die Welt schaut darauf. Und in Brasilien lässt sich die meuternde Masse nicht so leicht ruhig stellen. In Brasilien gilt das Gesetz der Straße. Armut dort und Geldverschwendung für sechs Wochen Fußball auf der anderen Seite stehen in keinem Verhältnis.

Ein Gegensatz als reiner Zündstoff. Bauarbeiter streiken, Fußball-Stadien sind nicht fertig, die Gewalt auf den Straßen ist allgegenwärtig. Und die Fifa als Veranstalter der Fußball-Weltmeisterschaft ist zwar ein milliardenschweres Imperium in der Welt der Verbände, aber ein Leichtgewicht, wenn es darum geht, ethische Grundsätze zur Leitlinie eigenen Handelns zu machen — und so Konfliktpotenzial abzumildern.

Als die Massenproteste die Generalprobe der Weltmeisterschaft, den Confederations-Cup vor einem Jahr in Brasilien, begleiteten, sprach Fifa-Chef Sepp Blatter dem Land die WM-Tauglichkeit ab. Jetzt herrschen Schweigen und Beschwichtigungen, aber kaum Kooperation. Der Fifa droht in Brasilien ein Pulverfass zu explodieren. Und es gibt nicht wenige — und das sagt mehr als alles andere — die genau jenes Szenario diesem maroden System des Fußballs wünschen würden.