Gesünder durch weniger Operationen
kommentar Viele Krankenhäuser kämpfen ums Überleben
Der Vergleich zwischen NRW und den Niederlanden fördert Erstaunliches zutage: Beide sind bei Einwohnerzahl und Fläche nah beieinander, aber unsere Nachbarn begnügen sich mit 132 Krankenhäusern. NRW dagegen verfügt über 401 Kliniken. Offensichtlich leisten wir uns eine Überversorgung, und zwar nicht nur an Rhein und Ruhr. Die gesetzlichen Krankenkassen beklagen, dass es in deutschen Krankenhäusern rund 100 000 Betten zu viel gibt. Und sie liegen damit richtig.
Wer nach den Gründen für ein solches Übermaß sucht, landet schnell bei den Trägern. Zwei Drittel aller Kliniken befinden sich in öffentlicher oder gemeinnütziger Hand. Standorte zu schließen, fällt da besonders schwer.
Aber der Preis ist hoch: Weil die Kliniken seit 2003 nicht mehr nach der Verweildauer ihrer Patienten, sondern nach Fallpauschalen entlohnt werden, sind wir Weltmeister beim Operieren. Ob es um Bandscheiben, Knie- und Hüftgelenke oder Kaiserschnitte geht: Deutschland belegt Spitzenplätze. Der starke Anstieg der Behandlungszahlen und teuren Eingriffe lässt sich weder durch die Alterung der Gesellschaft noch durch die höhere Behandlungsbedürftigkeit der Bürger erklären. Allzu oft kommt das Skalpell ins Spiel, weil das gut bezahlt wird und nicht, weil es gut für den Patienten ist. Chefarztverträge mit Bonuszahlungen für möglichst hohe Fallzahlen sprechen Bände. Es wird operiert, um die Klinik vor der Schließung zu bewahren. Oder damit der Profit der privaten Betreiber höher ausfällt.
Die Rolle rückwärts bringt nichts. Wenn die Kliniken wieder nach Verweildauer vergütet werden, müssen die Patienten ihre Wochenenden wie früher ohne jeden therapeutischen Nutzen in der Klinik verbringen. Besser wäre es, die Fallpauschalen mit einer Prüfung der Qualität zu verbinden. Bei Rücken- oder Schulterproblemen ist die gezielte Anleitung zur Bewegung für den Patienten oft besser als die schnelle OP. Das muss sich in der Vergütung widerspiegeln. Die Bundesregierung wäre gut beraten, dies bei der Reform der Krankenhäuser im Blick zu haben. Direkte Verträge der Krankenkassen mit den Kliniken könnten ein Weg sein, der Behandlungsqualität mehr Spielraum zu eröffnen.