Meinung Immerhin: Es ist der Anfang vom Ende seiner Amtszeit

Angesichts der wenigen Stunden, die noch bis zur Vereidigung von Donald John Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vergehen, gibt es in Anbetracht der weltpolitischen Folgen wenig, was wirklich tröstlich statt reiner Illusion und verharmlosender Selbstberuhigung wäre.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Außer dies vielleicht: Die Vereidigung ist immerhin der Anfang vom Ende seiner Amtszeit, und es ist schwer vorstellbar, dass diese Präsidentschaft eine ganze Wahlperiode lang dauern soll.

Dagegen kann man zurecht einwenden: Wie Trumps Wahl zeigt, ist das, was früher einmal schwer vorstellbar war, im gegenwärtig angegriffenen Zustand der westlichen Demokratien keine Kategorie mehr, mit der sich noch kalkulieren ließe.

Dennoch: Besonnene Analysten halten es für wahrscheinlich, dass der Start Trumps und seiner Administrations-Truppe von begüterten Amateuren ähnlich katastrophal verlaufen könnte wie das erste Präsidentschaftsjahr von John F. Kennedy. 1961 ging von der gescheiterten CIA-Invasion in der Schweinbucht auf Kuba über den nicht zu verhindernden Berliner Mauerbau im August bis zur Eskalation des Vietnam-Kriegs am Jahresende so ziemlich alles schief, was schief gehen konnte.

Natürlich wiederholt sich Geschichte niemals wirklich, aber sie verzeiht auch selten zweimal die gleichen Fehler. Wie 1961 droht 2017, dass mindestens Putins Russland nichts unversucht lassen wird, um aus der Schwäche einer wenig sattelfesten US-Regierung außenpolitisches Kapital zu schlagen. Trump muss in seinem ersten Amtsjahr viel weniger einen Aufstand der urbanen demokratischen Zivilgesellschaft der USA als vielmehr eine Amtsenthebung durch die eigenen Leute fürchten, die eben gar nicht alle seine Leute sind.

Es wird spannend zu sehen sein, wie lange die derzeit am Boden zerstörte republikanische Partei — mit komfortablen Mehrheiten sowohl im Repräsentantenhaus wie auch im Senat — der Versuchung widerstehen kann, Trump zu stürzen und die verbleibende Zeit zum Wiederaufbau der „Grand Old Party“ für die Präsidentschaftswahl 2020 zu nutzen.

Einen Teil der Befürchtungen, welches wirtschaftliche Unheil Trumps Präsidentschaft anrichten könnte, muss man aus dem simplen Grund relativieren, dass Trump keinen Schaden anrichten kann, der nicht längst eingetreten ist. Der weltweit tätige Kreditversicherer Euler Hermes hat bereits im Herbst 2016 in einer erstaunlich wenig beachteten Studie darauf hingewiesen, dass der reale Welthandel, also der tatsächliche Austausch von Waren und Dienstleistungen, zwischen 2014 und 2016, um 3129 Milliarden Euro zurückgegangen ist. Um die Summe einordnen zu können: Das entspricht etwa dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt Deutschlands.

Auch muss Trump nicht erst Schutzzölle und Handelsbarrieren neu erfinden, die Abschotterei ist laut der Studie ebenfalls längst in vollem Gange: Sie zählt zwischen 2014 und Mitte 2016 mehr als 1800 neue Handelsbarrieren auf — mehr als 700 pro Jahr oder fast 60 pro Monat. Sie reichen von Zöllen über Strafmaßnahmen bis zur Änderung von Normen und Richtlinien, um jeweils ausländische Marktteilnehmer auszuschließen. Die Haupt-Freihandelsbehinderer auf den ersten Plätzen: Russland, Indien, die USA, Brasilien und Indonesien.

Beide Negativ-Trends — Handelsrückgang und Protektionismus — kann Trump absichtlich oder aus Dummheit verstärken, aber er ist nicht ihre Ursache. Insofern ist es auch völlig unangemessen, wie die ersten Industrie-Unternehmen schon jetzt vor Trump peinlicherweise auf dem Bauch kriechen.

Was weitaus mehr Sorge bereiten müsste, als es tut, ist, was der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn am Mittwochabend auf einer Veranstaltung des Zeitungsverlags Aachen berichtete: Trumps Twitter-Nachrichten reichen bereits jetzt aus, um namentlich Großbritannien dazu zu verleiten, vor dem beschlossenen Ausstieg gemeinsame EU-Beschlüsse und damit eine einheitliche europäische Linie zu behindern.

Es könne eine Situation eintreten, so der dienstälteste Außenminister eines EU-Staates, in der diejenigen, die Europa nach vorne bringen wollen, diesen Weg ohne diejenigen gehen müssen, die es noch immer nicht begriffen haben und auch nicht begreifen wollen. Was Asselborn nicht dazu sagen musste: Das wäre schlecht. Aber auch das wäre am Ende das Selbstversagen Europas und nicht die Schuld Trumps.

Wer die Zukunft gestalten will, sollte sie nicht schwarz malen. Amerika ist schon lange nicht mehr der Erziehungsberechtigte seiner europäischen Partner. Europas Emanzipation ist lange überfällig. Nun ist sie auch unumgänglich. Das ist eine Chance.

Update: In einer früheren Version dieses Kommentars wurde US-Vizepräsident Mike Pence mit dem früheren Vorsitzenden der republikanischen Partei, Reince Priebus, verwechselt.