Meinung Jamaika: Jetzt ist Angela Merkel gefragt
Die Grünen haben den weitesten Weg nach Jamaika zu gehen. Wer der Partei einen humanen Umgang mit Flüchtlingen nicht zugestehen will, wird Jamaika nicht bekommen. Man kann von ihnen verlangen, dass sie beim Thema sichere Herkunftsstaaten und Ankunftszentren nachgeben.
Mehr nicht. Mehr ist angesichts der aktuellen Lage auch gar nicht nötig. Obergrenze und Totalstopp beim Familiennachzug für subsidiäre Flüchtlinge sind Symbolforderungen. Es ist an der CSU, sie endlich aufzugeben, denn der Wahlkampf ist im Bund vorbei. Es ist an der Kanzlerin, das durchzusetzen. Dass sich der Kontrollverlust nicht wiederholt, ist ein viel ernsthafteres CSU-Anliegen. Aber das ist längst konsensfähig.
Das Gleiche gilt für den Kohleausstieg. In Bonn Klimakonferenzgastgeber sein und später in einer Koalition ungerührt die eigenen Vorgaben verfehlen, das ist ein Vorwurf, den sich die Grünen angesichts ihres jahrzehntelangen Engagements nicht vorhalten lassen werden. Zuletzt hat das Bundesumweltamt, immerhin eine Regierungsbehörde, bei diesem Thema Kompromisswege aufgezeigt. Eine Mischung aus Abschalten und Umstieg. Wenn dazu noch ein ordentliches Förderpaket für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen kommt, ist eine Lösung möglich. Das freilich muss es im Kern zugunsten der 8,9-Prozent-Grünen gewesen sein; der Schwanz kann nicht mit dem Hund wackeln.
Die Ökopartei muss ihrerseits anerkennen, dass die Union nichts wirtschaftlich Unvernünftiges mitmachen kann und wird, sei es beim Automobil oder in der Landwirtschaft. Die FDP wiederum hat eher ein emotionales Problem mit ihrer ehemaligen Koalitionspartnerin Union. Wenn Angela Merkel einen verbindlichen Fahrplan für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags offeriert, wäre das ein wichtiges Signal. Merkel will von Grünen und FDP zur Kanzlerin gewählt werden. Es ist deshalb an ihr, den Partnern jetzt etwas anzubieten. Natürlich ist das riskant. Die CSU könnte abspringen, in der CDU könnten die Widerstände gegen sie noch größer werden. Aber nichts im Leben ist ohne Risiko. Die Union ist, das haben dort noch nicht alle realisiert, neben der SPD die große Wahlverliererin des 24. September. Auch sie muss sich bewegen. Vielleicht muss Angela Merkel ihren Leuten verdeutlichen, dass es nur eine Alternative zu einer Einigung in der kommenden Nacht gibt. Neuwahlen. Und zwar womöglich ohne sie.