Meinung Kein Favorit für die Spitze: Die Tragik der SPD
Meinung · 23 Regionalkonferenzen innerhalb von sechs Wochen für die Suche nach einer neuen Führungsspitze, das hat noch keine andere Partei vor ihr fertiggebracht. Lohnt der enorme Aufwand? Die Antwort muss zwiespältig ausfallen.
Der SPD lässt sich vieles vorwerfen, aber sicher nicht, dass sie die innerparteiliche Demokratie nicht hochhalten würde. 23 Regionalkonferenzen innerhalb von sechs Wochen für die Suche nach einer neuen Führungsspitze, das hat noch keine andere Partei vor ihr fertiggebracht. Und es geht ja noch weiter. An diesem Montag läuft die Mitgliederbefragung an. Und mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit wird es zu einer Stichwahl kommen, weil im ersten Durchgang kein Bewerberduo die absolute Mehrheit erreicht. Darüber gehen noch einmal fast sieben Wochen ins Land. Lohnt der enorme Aufwand? Die Antwort muss zwiespältig ausfallen.
Für viele Parteimitglieder war der Konferenz-Marathon zweifellos ein Jungbrunnen. Alle Befürchtungen, dieses Format werde sich schnell tot laufen, erwiesen sich als haltlos. Bis zur letzten Veranstaltung waren die Säle rappelvoll. Die SPD steckt tief in der Krise. Und dazu gibt es innerparteilich einen riesigen Diskussions- und Klärungsbedarf. Das rechtfertigt auch ein gerüttelt Maß an Selbstbeschäftigung, zumal die Regierungsarbeit in der großen Koalition dadurch nicht gelitten hat. Man denke nur an das Klimapaket, oder an das Ringen um die Grundrente.
Im auffälligen Kontrast dazu steht freilich die Tatsache, dass die meisten Vorsitz-Kandidaten der Groko lieber heute als morgen ade sagen würden. Und dieses Übergewicht wäre gefühlt noch viel stärker gewesen, hätte mit Olaf Scholz nicht doch noch eine prominente Figur der Regierungsmannschaft seinen Hut in den Ring geworfen. Aber: Kämen Scholz und seine eher blass gebliebene Partnerin Klara Geywitz aus Brandenburg nicht einmal in die Stichwahl, wäre wohl unweigerlich das vorzeitige Ende der großen Koalition besiegelt. Nur, was würde das den Sozialdemokraten bringen?
In den Umfragen lässt sich ablesen, dass das Kandidatenschaulaufen beim Wähler keine Spuren hinterlassen hat. Weder im Positiven noch im Negativen. Die Partei liegt seit September konstant zwischen mageren 13 und 16 Prozent. Es scheint, als könnten die Genossen tun oder lassen, was sie wollen – die allermeisten Wähler haben schlicht das Interesse an ihnen verloren. Schlimmeres kann einer Partei, die Volkspartei sein will, nicht passieren.
Umso mehr kommt es tatsächlich darauf an, wer den Laden künftig führt. Dabei gibt es eigentlich schon eine Idealbesetzung. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und einzig verbliebene kommissarische Parteivorsitzende, ist in der SPD beinah genauso beliebt wie in großen Teilen der Bevölkerung. Aber Dreyer will nicht und könnte es wohl auch aus gesundheitlichen Gründen nicht. Auch das gehört zur Tragik der SPD.