Meinung Worte haben Macht – auch das Wort „Femizid“

Meinung · Der Fall Kitzbühel wirft auch ein Schlaglicht auf die Tötung von Frauen durch Partner und Ex-Partner in Deutschland.

Juliane Kinast

Foto: Judith Michaelis

Es ist keine Diskussion, die Spaß macht in einem Land, in dem die Gleichberechtigung der Geschlechter eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Müssen Frauen in Deutschland speziell geschützt werden? Brauchen wir einen Paragrafen für „Femizid“ – das Ermorden von Frauen, weil sie Frauen sind?

Diese Frage muss weh tun. Den Männern, die sich hier allein aufgrund ihres Geschlechts zu einer potenziellen Tätergruppe zugerechnet fühlen. Den selbstbewussten deutschen Frauen, die alles wollen, aber nicht schutzbedürftig wirken. Und doch zeigt es nicht nur der aktuelle Fall Kitzbühel, sondern auch die deutsche Statistik: Wenn hierzulande jeden zweiten bis dritten Tag eine Frau allein durch ihren Partner getötet wird (Vergewaltigungen durch Fremde mit anschließender Tötung nicht eingerechnet) und ein Mann pro Monat, dann kann von einer Gleichheit der Geschlechter nun einmal keine Rede sein.

Dabei sind die Frauenmorde nur besonders auffälliges Symptom einer Gesellschaft, die sich zwar an der internationalen Spitze der Aufgeklärtheit wähnt, aber offensichtlich doch Rollenbilder tradiert, zu denen männliche Besitzansprüche und körperliche Dominanz über Frauen gehören. Ansonsten wären auch nicht mehr als 80 Prozent der Opfer von Gewalt in Partnerschaften weiblich; spätestens hier reden wir nicht von einem Randphänomen, sondern einer deutlich sechsstelligen Zahl – plus sehr wahrscheinlicher Dunkelziffer.

Politiker und Juristen wenden ein, der Mord aus Eifersucht und ähnlich niederen Beweggründen könne auch jetzt ausreichend geahndet werden. Das ist richtig. Er kann. Frauenrechtler bezweifeln, dass es auch so ist. Ein Beispielfall aus der Reportererfahrung: Ein junger Mann sticht seine Ex-Freundin nieder und verletzt sie schwer. Doch der Richter erlässt zunächst nicht einmal Haftbefehl. Die Logik: keine Fluchtgefahr und auf keinen Fall Wiederholungsgefahr, denn die Ex liegt ja schon auf der Intensivstation. So ernsthaft passiert. Rechtlich darf man das so entscheiden, aber würdigt es die besondere Selbstüberhöhung des Täters?

Dass Worte Macht haben, ist keine neue Erkenntnis. Nicht umsonst hat man kürzlich das Sexualstrafrecht geändert und etwa das Begrapschen zur sexuellen Belästigung erklärt. Weil es ein Zeichen ist: Dieses Verhalten verachtet unsere Gesellschaft und bestraft es mit aller Härte. Es würde nicht viel kosten, den Femizid zumindest als ein weiteres mögliches Mordmerkmal aufzunehmen – aber womöglich viel gewinnen. Zumindest würde es der Wahrheit Rechnung tragen, dass hinter „Mord aus Eifersucht“ meistens der Mord an einer Frau steckt.