Meinung Kein Zurück für Jamaika
Im Moment plustern sich die vier Jamaika-Parteien auf, als sei noch Wahlkampf oder demnächst wieder. Doch wer immer auf Neuwahlen spekuliert, sollte einen Blick auf die jüngsten Umfragen werfen: Die Bürger würden heute ziemlich exakt so abstimmen wie am 24. September.
Und zwar in Kenntnis der Tatsache, dass nur noch ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen geht. Daher kann man sich gut vorstellen, wer bei möglichen Neuwahlen profitieren würde: Alle, die in der Opposition sind, vor allem die AfD.
Ein Scheitern der Sondierungen würde den Erwartungen widersprechen und ist daher kaum noch denkbar. Jedes fröhliche Bild auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft hat dazu beigetragen. Aber auch das Abstimmungsverhalten bei der ersten Sitzung des Bundestages, als die neue Koalition bereits hielt. Ein Zurück ist kaum noch vorstellbar.
Wenn Neuwahlen keine Option sind, sind es nur Kompromisse. Allerdings ist es keine Lösung, sie auch dort zu suchen, wo man sich diametral gegenüber steht. Vielmehr müssen die Partner sich gegenseitig auch wenigstens kleine Siege in ihren jeweiligen Kernbereichen gönnen. Die Grünen zum Beispiel können keiner Politik zustimmen, die die Klimaziele nicht praktisch umsetzt. Einen verbindlichen Plan dazu aufzuzeigen, wäre jetzt die Aufgabe von Union und FDP. Die CSU kann es nicht hinnehmen, wenn den Bürgern die Angst vor einer Wiederholung des Flüchtlingszustroms von 2015 nicht genommen wird. Die FDP braucht den Abbau des Solidaritätszuschlages.
Im Moment sind dies die Hauptstreitpunkte. Sie sind schwierig, aber nicht unlösbar. Die Bürger erwarten, dass bald wieder regiert wird. Die beteiligten Parteien sollten sich zudem klarmachen, dass Jamaika keine Heirat auf ewig ist. Es ist nur ein Bündnis für vier Jahre. Manche Forderung kann man sich auch aufheben für 2021. Die Wähler werden das eher verstehen als ein Scheitern jetzt.