Politik FDP-Chef Lindner hält Jamaika-Neuanlauf für vorstellbar

Die Liberalen haben die Sondierungsgespräche zwischen Union, Grünen und FDP platzen lassen. Für alle Zukunft ausschließen wollen sie ein Jamaika-Bündnis aber nicht. FDP-Chef Lindner sorgt mit Äußerungen für Wirbel - und beschwichtigt.

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner.

Foto: Michael Kappeler

Berlin. FDP-Chef Christian Lindner hält einen weiteren Anlauf zur Bildung einer Jamaika-Koalition im Falle einer Neuwahl für möglich. „Diese Wahlperiode macht es keinen Sinn, aber die Freien Demokraten würden sich Gesprächen nicht verweigern, wenn eine geänderte politische und personelle Konstellation mehr Erfolg verspricht als 2017“, schrieb Lindner am Donnerstag im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Die FDP hat die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und Grünen Mitte November platzen lassen. Deshalb sondieren nun Union und SPD miteinander. Von den Jusos kommt weiter Kritik an einer möglichen großen Koalition.

Schon bisher hatte Lindner erneute Gespräche über die Bildung einer schwarz-gelb-grünen Regierung explizit nur für die aktuelle Legislaturperiode ausgeschlossen. Allerdings zeigte er sich nun im Tonfall ein wenig zuversichtlicher, dass es zu Veränderungen in der politischen Landschaft kommen könne. Der „Wirtschaftswoche“ sagte er: „Bei CSU und Grünen gibt es eine neue Führungsmannschaft. In neuen Konstellationen wird neu gesprochen.“

Lindner selbst spielte die Bedeutung seiner Äußerungen herunter. „Auf Nachfrage der @wiwo vertrete ich zu #Jamaika nahezu wortgleich dieselbe Position, die ich seit Wochen vertone und die wir in einem einstimmigen Präsidiumsbeschluss am 5.12. fixiert haben. Und dennoch hat das Newsvalue...“, schrieb er auf Twitter.

In dem FDP-Beschluss heißt es: „Wir haben die Jamaika-Sondierungen aufgrund unzulänglicher inhaltlicher Übereinstimmungen verlassen. Damit haben wir für diese Wahlperiode des Deutschen Bundestages die Oppositionsrolle angenommen. Sollte eine große Koalition nicht gebildet werden können, würden wir eine etwaige Minderheitsregierung konstruktiv aus dem Parlament begleiten.“

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter reagierte empört auf Lindners aktuelle Aussagen. „Mit seiner Verantwortungsflucht aus den Jamaika-Sondierungen hat Christian Lindner Schiffbruch erlitten“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Online). „Jetzt will er offensichtlich persönliche Schadensbegrenzung betreiben und versucht, von seiner Fehlentscheidung mit einer fadenscheinigen Begründung abzulenken.“

Innerhalb von Union und SPD regt sich indes weiterhin Zweifel am Sinn einer möglichen großen Koalition. „So wie das im Moment gerade läuft, sehe ich da relativ schwarz“, sagte der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos, Kevin Kühnert, im Sender N-TV. „Jetzt stellt sich leider in den letzten Tagen der Eindruck ein, dass die Union das mit dem „ergebnisoffen“ nicht so richtig verstanden hat“, sagte er. Aussagen von Unionsmitgliedern, man sei auf dem Weg in eine große Koalition, nannte er irritierend. „Vertrauensbildende Maßnahmen sind das nicht.“

Die SPD beharrt ausdrücklich auf „ergebnisoffenen Gesprächen“ und will auch die Möglichkeit einer Teilkoalition mit punktueller Zusammenarbeit bei Hauptthemen oder einer Tolerierung einer CDU/CSU-Minderheitsregierung ausloten. Die Union strebt aber allein eine große Koalition an.

Die im Berliner Kreis organisierten konservativen Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag erklärten, dass die künftige Regierung eine breite Mehrheit im Parlament brauche, warnten aber auch vor dem Ausschluss einer Minderheitsregierung. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass es in der SPD deutliche Vorbehalte und starken Widerstand gegen eine erneute große Koalition mit der Union gibt. Ein SPD-Mitgliederentscheid kann das ganze Projekt auch dann stoppen, wenn gute Verhandlungsergebnisse erzielt werden“, erklärte die Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel in einer Mitteilung des Kreises.

Die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner räumte einer möglichen Minderheitsregierung indes keine lange Lebensdauer ein. Ohne eine stabile Mehrheit habe die Politik keine klare Richtung. „Minderheitsregierungen brauchen doppelt so lange für doppelt so schlechte Kompromisse“, meinte Klöckner. „Sollte es wider Erwarten eine Minderheitsregierung geben, dann läuft sie innerhalb kürzester Zeit, vielleicht in drei Monaten, auf eine Neuwahl zu.“

Die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD hatten am Mittwoch rasche Sondierungen zwischen dem 7. und dem 12. Januar vereinbart. dpa