Kommentar Die Disziplin in der CDU lässt rapide nach
Meinung | Berlin · Wer Parteifreunde wie Friedrich Merz hat, braucht keine Opposition mehr. Wenn die Union ein warnendes Beispiel für die derzeitigen internen Grabenkämpfe braucht, muss sie nur den Koalitionspartner betrachten.
Friedrich Merz nimmt keine Rücksicht mehr – und richtet erheblichen Schaden an. Wenn ein führendes CDU-Mitglied wie er die ganze Regierung für „grottenschlecht“ befindet, muss die Opposition nicht mehr viel tun. Der Ex-Fraktionschef argumentiert, er sorge sich um weitere Wählerverluste und wolle deshalb ein vorzeitiges Ende der Kanzlerschaft Merkel. Das ist offensichtlich vorgeschoben. Im nächsten Jahr stehen außer in Hamburg gar keine Landtagswahlen mehr an, die die CDU verlieren könnte. Und dann kommt ohnehin Ende 2020 schon die Kür eines Nachfolgers, nach der Merkel nur noch eine unbedeutende Restlaufzeit hat.
Ein bisschen späte Rache spielt immer mit, wenn Merz sich über die Frau äußert, die seine politische Karriere einmal so brutal ausgebremst hat. Bei Merkel sieht er rot und nutzt jede Situation momentaner Schwäche aus, um sie zu treffen. Nun eben die schlechten Wahlergebnisse im Osten. Aber es geht immer auch um etwas anderes: Merz zielt nämlich auch auf Annegret Kramp-Karrenbauer. Ihr will er den Anspruch auf die Nachfolge streitig machen.
Das ist im Prinzip legitim. Die Frage ist nur, wie man eine solche Führungsfrage klärt. Wenn Merz und seine Anhänger das weiterhin in Form eines Zermürbungskrieges gegen AKK veranstalten, laufen sie Gefahr, dass als Kollateralschaden die ganze CDU beschädigt wird. Sollte die Union ein warnendes Beispiel brauchen: Die SPD ging so mit ihren Parteichefs um – und ist ganz unten. Denn nichts schreckt die Wähler mehr ab als innere Zerstrittenheit. Man ahnte, dass es unruhiger werden würde in der CDU, wenn Merkel die Bühne verlässt. Man wusste nicht, dass es so brutal abgeht. Der Partei droht ein Markenkern verloren zu gehen: Ihre Disziplin nach außen.
Merz sollte endlich akzeptieren, dass nicht er, sondern Annegret Kramp-Karrenbauer im letzten Jahr zur Parteivorsitzenden gewählt wurde. Und dass AKK damit nach den bisherigen Regeln das Recht hat, einen Vorschlag für die Spitzenkandidatur zu machen. Und zwar nach dem Zeitplan, den sie in den Gremien verkündet hat. Der Sauerländer hat natürlich auch das Recht, einen anderen Zeitplan zu wollen oder ein anderes Verfahren, zum Beispiel eine Urwahl. Das müsste er auf dem Parteitag Ende November klären. Und dann einen Strich unter diese Debatte machen. Doch eine solche Entscheidungsschlacht traut Merz sich nicht zu. Also stänkert er nur von der Außenlinie.
Jens Spahn übrigens, der dritte Kanzleraspirant, geht ganz anders vor. Er arbeitet loyal und wartet diszipliniert. Bis seine Chance kommt. Das könnte am Ende erfolgreicher sein.